Analyse Macht die neue FDP alte Fehler?

Berlin · Die Liberalen melden sich bei ihrem Parteitag 17 Monate vor der Bundestagswahl zurück im Rampenlicht der Bundespolitik. Sie sind erkennbar auf Kurs, doch auf dem lauern eine ganze Reihe gefährlicher Klippen.

FDP-Bundesparteitag: Christian Lindner: Die Liberalen sind zurück
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Lindner auf FDP-Bundesparteitag: Die Liberalen sind zurück

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Foto: dpa, bvj vfd

Es mache "wieder Spaß, zu einem FDP-Parteitag zu gehen", ruft ein strahlender Detlef Parr in den Saal, und die Delegierten antworten dem Chef der liberalen Senioren aus Düsseldorf mit lebhaftem Applaus. Auch Parteichef Christian Lindner hat da schon "leise, aber mit Überzeugung", die Losung ausgegeben, dass "jetzt" die Trendwende für die FDP geschafft sei. Geschickt kontrastiert er die Situation beim Parteitag in der "Station" am Berliner Gleisdreieck von 2013 mit der von 2016. Damals Demut nach dem Rausschmiss aus dem Bundestag. Heute Auftrieb durch fünf Landtagswahlen, die allesamt Stimmengewinne und neue Motivationsschübe brachten. Doch die Liberalen laufen zugleich Gefahr, in alte Fehler zurückzufallen.

Da ist die Voraussage von Parteivize Wolfgang Kubicki, dass es in vielleicht 20 Jahren um die "Kanzlerkandidatur" von Lindner gehen werde, wenn der so weiter mache. Und das Ziel für 2017 ist für ihn auch nicht mehr nur der bescheidene Wiedereinzug in den Bundestag, sondern die "demokratische Pflicht" für die FDP, stärker zu werden als die AfD. Prompt lassen die Delegierten auch alle Hemmungen fahren, sprechen nicht mehr davon, die Wähler davon überzeugen zu wollen, wie sinnvoll ein Bundestag mit liberalen Konzepten wäre, sondern nur noch davon, dass sie ja im nächsten Jahr wieder im Bundestag sein "werden".

Großspuriges Auftreten

Genau solch großspuriges Auftreten haben die Wähler der FDP zuletzt übel genommen und dann mit den nicht gehaltenen Wahlkampfversprechen verbunden. "Nie wieder", beschwört Lindner die Parteifreunde, dürfe es so weit kommen, dass die FDP von sich selbst besiegt werde. Doch auch er gibt in einem Nebensatz dem Affen Zucker, als er feststellt, dass der Erneuerungsprozess auch "über den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag hinaus fortzusetzen" sein werde. So als sei dieser Schritt schon geschafft.

Die Koalitionsfragen bieten ebenfalls Stoff für alte Irritationen. Mit starken Worten geht Lindner auf Distanz zur Merkel-CDU. Donnernder Applaus ist ihm sicher, als er klar sagt, dass in Zukunft auch schwarz-gelbe Mehrheiten nicht unbedingt zu schwarz-gelben Regierungen führen. Schließlich habe die FDP ihre "spezifischen Erfahrungen" mit einer Merkel-Regierung gemacht. Die Union stehe der FDP zwar immer noch am nächsten, "verglichen mit den anderen sozialdemokratischen Parteien". Aber die schwarz-roten, schwarz-grünen, grün-roten und rot-grünen Koalitionen zeigten doch, dass das "alles eine Soße" sei und nur die FDP den Unterschied mache.

Die Logik leuchtet nicht jedem ein: die Union abzulehnen, weil sie zu sehr ins sozialdemokratische Lager abdrifte, um dann selbst mit den noch sozialdemokratischeren Parteien Koalitionen einzugehen? Wie passt das? Und auch beim Parteitag ist nicht jeder Delegierte glücklich mit dem Eintritt der rheinland-pfälzischen FDP in die Regierung mit Rot-Grün. Opposition wäre fürs erste wohl klarer gewesen, heißt es. FDP-Spitzenkandidat Volker Wissing interpretiert sein im Wahlkampf gegebenes Nein zu Rot-Grün nun als ein Nein zu rot-grüner Politik, und das sehe anders aus, wenn der Koalitionsvertrag eine "liberale Handschrift" trage. Die rheinland-pfälzische CDU verweist indes darauf, dass mancher Wähler seine Stimmabgabe mit der Erwartung verbunden habe, dass es mit der FDP keine "Ampel" gebe.

Am Rande des Parteitages spielen sich in Sachen Rheinland-Pfalz verschiedene Gesprächsszenarien ab. Die einen bedauern, dass die FDP in eine derart unsichere Koalition gegangen sei und am Ende mit in Negativ-Schlagzeilen hinein geraten könne. Die anderen strecken die Fühler nach Machtbeteiligung aus, fragen etwa Wissing direkt, ob er den einen oder anderen Posten in seinem Ministerium schon besetzt habe. Genau das sind aber die Eindrücke, die eine runderneuerte FDP vor dem Wiedereinzug in den Bundestag unbedingt vermeiden wollte.

Wieder eine Ein-Mann-Partei?

Hinzu kommt der FDP-Kompass beim Thema AfD. Lindner lobt seine Partei, die trotz Empfehlungen und Verlockungen nicht dem Rechtspopulismus verfallen, sondern dem Liberalismus treu geblieben sei. "Wir haben zwar Prozente verloren, aber nicht unsere Würde", sagt der Parteichef pathetisch. Das sei in der Tagespolitik jedoch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen, beklagt ein Delegierter. Die Überschriften klängen manchmal doch sehr nach AfD, was dann im Kleingedruckten wieder relativiert werde.

Nicht gebannt ist zudem die Gefahr, dass die FDP wieder auf eine Ein-Mann-Partei reduziert wird. Lindner gibt sich zwar alle Mühe, dass auch seine mehr oder weniger prominenten Mitstreiter Wolfgang Kubicki, Katja Suding, Nicola Beer und Marie-Agnes Strack-Zimmermann vorkommen. Doch nur wenn Lindner durch die Reihen geht, bilden sich die Trauben von Parteifreunden, die ein Selfie mit ihm wollen.

Dabei hat die Partei trotz Einübung von mehr Geschlossenheit und weniger Intrigen die leidenschaftliche Auseinandersetzung und das Selbstbewusstsein der Basis nicht verloren. Nach langem Ringen versagt sie sich dem Wunsch von Bundesschatzmeister Hermann-Otto Solms auf zentralisierten Zugriff auf die Mitgliedsbeiträge. Und auch der vom Vorstand entworfene Digitalisierungs-Antrag muss Federn lassen. Etwa bei den geplanten Aussagen zur Digitalisierung der Patienten-Informationen. Da kann Generalsekretärin Beer noch so sehr dafür werben, den Datenschutz "neu" zu denken. Die Mehrheit schließt sich den drastischen Worten ihres bayerischen Amtskollegen Daniel Föst an: "Vorratsdatenspeicherung finden wir scheiße, warum sollen wir dann Gesundheitsdatenspeicherung gut finden?"

Die Basis mag es lieber eindeutig.

(may-)
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