Grünen-Politikerin erinnert sich an Zeit als Vorsitzende Claudia Roth: "Ich schaff das nicht mehr, ich löse mich auf"

Hamburg · In einem Interview zieht Claudia Roth eine ganz persönliche Politiker-Bilanz. Zwölf Jahre lang war sie Vorsitzende der Grünen, kämpfte gegen Anfeindungen, ständigen Druck, die Angst vor dem Versagen. Nun erzählt sie, wie schwer ihr das zweitweise gefallen ist.

Claudia Roth - gelernte Rock'n'Rollerin
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Das Interview führte Roth mit dem Magazin "Stern." Im Pressetext heißt es, sie spreche "erstmals offen" von dem Druck und den Ängsten, denen sie ausgesetzt war. Ob das so zutrifft, mag man dahinstellen. Roth hat aus ihrem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Neu aber ist das Ausmaß ihrer Reflexion.

Dass die Politik an die, die sie betreiben, ganz eigene und manchmal unmenschliche Anforderungen stellt, weiß die Öffentlichkeit schon länger. Wolfgang Kubicki hat darüber offen bei Plasberg gesprochen, ebenso Roths Parteikollegin Andrea Fischer, die ihr Ministeramt hinschmiss, weil sie nicht mehr konnte.

Nun ist Claudia Roth am Zug und erzählt aus ihrem Innenleben. Sie habe manchmal Angst gehabt, "etwas nicht zu wissen oder bei einem Fehler als schwach zu gelten. Angst vor den Journalisten, die mich Montag für Montag rund um die Parteivorstandssitzungen ins Kreuzverhör nahmen. Ich hatte nicht immer auf jede Frage eine Antwort", sagte die 58-Jährige dem Stern.

Ihre Zeit als Grünen-Chefin beschreibt Roth als "ein Leben auf der Überholspur, die ganze Zeit auf Speed, immer im Kampf mit dem politischen Gegner, ständig online, in jeder Nacht das Handy neben deinem Kopfkissen. Immer war der Gedanke da: Ich muss alles wissen, wirklich alles. Ich muss reaktionsfähig sein".

Roth schilderte dem Nachrichtenmagazin auch den "schwersten Moment" ihres Lebens, als sie mitten im Bundestagswahlkampf 2013 die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten habe. Nur widerwillig sei sie bereits einen Tag nach der Beerdigung wieder auf Wahlkampftour gegangen. "Ich habe das alles einfach nicht mehr zusammengekriegt. Ich habe mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich, ich habe ja nicht mal Zeit zu trauern?"

Erst Monate später sei die Trauer gekommen, "sie hat mich überwältigt. Plötzlich spürte ich, dass mir die Kraft ausgeht". Eine "unendliche Einsamkeit" sei über sie gekommen, sagt Roth. "Ich hatte Angst davor, durch den Druck weiter funktionieren zu müssen, mich allmählich aufzulösen".

(ots)
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