CSU-Klausur in Seeon Seehofer will Merkel die Obergrenze aufzwingen

Er startet mit der "Hoffnung auf ein friedvolles Jahr" - und geht dann nahtlos zum Streit mit der CDU über. CSU-Chef Horst Seehofer will es im Wahljahr wissen, setzt von der CSU-Klausur am Chiemsee aus die Kanzlerin erneut unter Druck.

 Horst Seehofer stellt bei der CSU-Klausur in Seeon klare Forderungen in Sachen Flüchtlingsobergrenze.

Horst Seehofer stellt bei der CSU-Klausur in Seeon klare Forderungen in Sachen Flüchtlingsobergrenze.

Foto: dpa, tha axs

Zum Auftakt der von Kreuth nach Seeon verlegten Winterklausur der CSU-Landesgruppe gibt CSU-Chef Horst Seehofer als "einziges Motto" aus, die polarisierte und gespaltene Gesellschaft in Deutschland wieder zusammen zu bringen. Angesichts der drastisch gesunkenen Flüchtlingszahlen und der im Sinne der CSU veränderten Migrationspolitik hätte er selbst versöhnende Worte wählen und die von ihm seit September 2015 verfolgte Spaltung der Union überwinden können. Er entscheidet sich anders.

Erneut stellt er den Versöhnungsgipfel Anfang Februar in Zweifel. Er sollte nach der gemeinsamen Klausur der CDU- und CSU-Präsidien in Potsdam im letzten Sommer, nach einem halben Dutzend Fachtagungen über Gemeinsamkeiten in einzelnen Themenbereichen und nach wiederholtem Bekunden, endlich wieder an einem Strang ziehen zu wollen, die Union wieder als Union präsentieren.

Doch Seehofer vergleicht das geplante Februar-Treffen in München mit dem Juni-Treffen 2008 in Erding. Seinerzeit hatten CDU und CSU für den bayerischen Landtagswahlkampf thematisch zusammenkommen wollen. Aber weder über den Zeitpunkt von Steuererleichterungen noch über eine Pendlerpauschale konnten sich die Spitzen von CDU und CSU damals verständigen. Diese Präsentation von Uneinigkeit stellt Seehofer nun, achteinhalb Jahre später in einen direkten Zusammenhang mit dem Absturz der CSU bei den nachfolgenden Wahlen von 60,7 auf 47,7 Prozent. "Desaströs" sei das gewesen - und das Treffen von Erding somit "nicht nachahmenswert".

Lieber keinen Gipfel als eine erneute Uneinigkeitserklärung

So will Seehofer dieses Mal dann lieber keinen Gipfel als eine erneute Uneinigkeitserklärung. Als ob das Signal, das von einem wegen ungelöster Konflikte abgesagten Treffen ausginge, geringer wäre. Noch hält Seehofer auch daran fest, dass das Treffen weiterhin "geplant" sei. Er könne halt nur noch nicht sagen, dass es stattfinde. Es liege nun in der Verantwortung der Parteivorsitzenden, Programm und Inhalte für das Treffen zu "finalisieren". Und da gibt es für Seehofer vor allem eines: Dass Deutschland sich auf eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen festlege. "Sehr, sehr ernst" sei ihm das. Und deswegen hat er daran auch schon einen Eintritt in eine weitere Koalition nach den Bundestagswahlen geknüpft. Nun hängt er in Seeon die Messlatte noch einmal ein Stück höher, zwingt Merkel öffentlich beizudrehen. Aber die denkt nicht dran.

Der neue Tagungsort wurde nötig, weil die Tagungsstätte in Wildbad Kreuth saniert wird. Nun ist die CSU am Chiemsee versammelt. Also just dort, wo nach dem Krieg der erste Entwurf der neuen deutschen Verfassung formuliert wurde. Ganz bewusst ohne Obergrenze für das Grundrecht auf Asyl. Seehofer lässt sich weder dadurch noch durch wiederholte Kritik der christlichen Kirchen beirren. Er beruft sich vielmehr auf den Papst, der ebenfalls gemahnt habe, ein Land müsse die Integrationsaufgabe auch leisten können. Näheres wollen die CSU-Bundestagsabgeordneten in Seeon mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm besprechen.

So entschieden Seehofer Merkel zur Festlegung auf die Obergrenze zwingen will, so gelassen gibt er sich mit dem allgemeinen Blick aufs Wahljahr: "Wir müssen jetzt noch einiges besprechen, und dann werden wir gemeinsam in den Wahlkampf ziehen." Doch zuvor regt er sich noch über "spontane Überraschungen aus Berlin" auf, womit er auf die Initiative von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu sprechen kommt, die Arbeit des Verfassungsschutzes in eine reine Bundesaufgabe umzuwandeln. "Eine Auflösung des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutzes wird niemals kommen", lautet die Festlegung vom Chef des Freistaates. Gerade hat sich Merkel hinter de Maizières Konzept gestellt. Das nächste Streitthema ist damit eröffnet.

Doch da ist noch was aus der letzten Runde zu klären: So verteilt Seehofer Klassenkeile für die CDU-Kritik am CSU-Gepolter, besonders nach Seehofers Ansage, nach dem Terroranschlag in Berlin müsse die Flüchtlingspolitik geändert werden. Er weist den Vorwurf des "Säbelrasselns" aus dem Mund des CDU-Vize Thomas Strobl, dem Innenminister Baden-Württembergs zurück, belehrt ihn, es gebe in Baden-Württemberg viel Arbeit, und stellt fest, man brauche sich nicht gegenseitig zu belehren. Das gilt namentlich auch der CDU-Vize Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz und der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.

"Freude" lösten jüngste Umfragen aus, wonach die CSU derzeit 46 Prozent der Stimmen bekommen würde, wenn nächste Woche der Bundestag gewählt würde. Über eine andere Umfrage dürfte indes bei Seehofer weniger Freue herrschen. Danach liegt Merkel mit ihrem Kurs in den Sympathiewerten selbst unter CSU-Anhängern vor Seehofer. 72 gegenüber 69 Punkten. Ein schwacher Trost dürfte für ihn sein, bei Anhängern einer anderen Partei ganz hoch im Kurs zu stehen: Bei der AfD ist der CSU-Chef fast so beliebt wie Parteichefin Frauke Petry.

(may-)
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