Klausurtagung der CSU Kreuther Knirschen

Berlin · Auch 2016 gibt die CSU mit ihrer Klausur den Takt vor. Ihre Positionierungen zu Flüchtlingen und Europa sollen das Profil schärfen und verheißen Gesprächsbedarf in der Koalition.

 Das blaue Logo der CSU steht vor dem Eingang des Tagungsgebäudes in Wildbad Kreuth.

Das blaue Logo der CSU steht vor dem Eingang des Tagungsgebäudes in Wildbad Kreuth.

Foto: dpa, pk_htf kne tba lof

Es kann passieren, dass in Wildbad Kreuth im Winter schon vor sechs Uhr das Zimmer plötzlich taghell beleuchtet ist, das letzte Bier mit den Parteifreunden aber erst ein paar Stunden zurückliegt. Dann wird die Klausur auch schon mal zur Tortur. Doch das erträgt der Christsoziale gerne, bedeutet das Scheinwerferlicht im Zimmer doch, dass draußen die Fernsehsender ihre ersten Liveschalten starten und die CSU in der Bundespolitik mal wieder den Takt vorgibt.

Auch auf die Ruhe zwischen Weihnachten und Dreikönig verzichten die Granden der CSU-Landesgruppe im Bundestag gern. Sie stoßen mit ihren Positionsbestimmungen zur Innen-, Sozial-, Europa-, Flüchtlings- und Antiterrorpolitik in diesen Tagen in eine traditionell nachrichtenarme Zeit, in der die Klausurvorbereitungen eine umso größere Rolle spielen.

Was in der Tagespolitik von den Jahresauftaktpapieren übrig bleibt, mag die Landesgruppe mit sich ausmachen. Entscheidend ist, in die Weihnachts- und Neujahrsstille hinein einmal mehr derart deutlich Profil gezeigt zu haben, dass es nicht nur im Schnee vor der Tagungsstätte kräftig knirscht. Ausweispflicht für ankommende Flüchtlinge, Fußfesseln für verdächtige Islamisten, Passentzug für kriminelle Doppelstaatler. Das sind die Stichworte für die CSU als konservative Recht-und-Ordnung-Partei.

In ihrem ebenfalls zur Entscheidung anstehenden Entwurf für ein gemeinsam gestaltetes Europa kommt sie gleich auf der ersten Seite zu einem besonderen Gruß an ihren prominenten Gast, den britischen Premier David Cameron: "Vertragsveränderungen dürfen nicht von vornherein ausgeschlossen werden" — so deutlich ist das in der deutschen Politik noch nicht in die Parteiprogrammatik aufgenommen worden. Und auch weitere Passagen klingen durchaus konform mit britischer und anderer Skepsis gegenüber dem EU-Einigungsprozess. Da in Europa alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, müssten neben dem Europäischen Parlament die nationalen Parlamente noch stärker in die Politik der EU eingebunden werden, erklärt die CSU.

"Ein Vetorecht für eine Gruppe von Parlamenten gegenüber europäischer Gesetzgebung ('rote Karte') kann ein sinnvolles Mittel zur Stärkung ihrer Stellung sein, wenn durch ein vernünftiges Quorum sichergestellt ist, dass keine Lähmung der Gesetzgebung droht", heißt es in dem unserer Redaktion vorliegenden Papier, dessen Verabschiedung als sehr wahrscheinlich gilt.

Darin setzt die CSU auch ein klares Stoppzeichen in Richtung Türkei. Die EU hatte die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel im Beitrittsprozess zugesagt, um die Türkei dazu zu bewegen, weniger Flüchtlinge nach Europa durchzuwinken. Eine Erweiterung sei jedoch nur dann möglich, wenn die EU im Innern gefestigt sei, wird die CSU in Kreuth formulieren und daraus folgern: "In absehbarer Zukunft kann es daher zu keiner Erweiterung kommen."

Parteitag: Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU
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Kühler Empfang für Angela Merkel bei der CSU

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Anfang 2015 wurde die CSU-Klausur überschattet vom Anschlag auf die französische Satire-Zeitung "Charlie Hebdo". Inzwischen haben Islamisten im November ein weiteres Mal in Paris zugeschlagen. Daraus entwickelt die CSU auch militärische Konsequenzen. "Nach den Anschlägen von Paris muss Europa zusammenstehen und mutig den Weg in eine Europäische Verteidigungsunion gehen", heißt es weiter.

Militärische Stärke müsse sichtbar sein. Die CSU setzt auf ein ständiges EU-Hauptquartier, auf wirksamere Instrumente zur schnellen Prävention, Reaktion und Beilegung von Krisen. EU-Gefechtsverbände dürften "nicht nur auf dem Papier stehen", sondern müssten auch rasch in Krisensituationen eingesetzt werden können. Schließlich markiert die CSU als Perspektive: "Eine europäische Armee — als starker europäischer Pfeiler der Nato — sollte für Nationen, die sicherheitspolitisch vorangehen wollen, Ziel der Entwicklung sein."

Die derzeit in den Hintergrund getretene Euro-Krise beschäftigt die CSU dauerhaft. So mahnt sie eine "Weiterentwicklung der Euro-Zone" an, wendet sich gegen "politische Rabatte" bei der Anwendung von Regeln des Stabilitätspakts und fordert langfristig sowohl ein Insolvenzverfahren für Staaten als auch Regeln für ein geordnetes Ausscheiden aus der Euro-Zone.

Zwei weitere Forderungen dürften bei Gast Cameron Sympathie erzeugen. "Nicht-Euro-Staaten dürfen keine EU-Mitglieder zweiter Klasse werden", schreibt die CSU. Und zum anderen will sie eine "Überprüfung der bestehenden Ansprüche auf sozialstaatliche Transferleistungen" — so wie London.

Rechtzeitig zum Klausurauftakt mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat CSU-Chef Horst Seehofer die Obergrenzen-Debatte zugespitzt und den "Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr" als verkraftbar markiert. Alles darüber Hinausgehende sei zu viel. Die Diskussion mit Obergrenzen-Gegnerin Merkel wird munter werden.

(may-)
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