Bedrohungen und Anfeindungen Darum fehlen für Abschiebungen vermehrt Polizisten

Düsseldorf/Mönchengladbach · Mangels Freiwilliger bei der Bundespolizei könnten schon bald Sammelabschiebungen ausfallen. Immer weniger Beamte wollen diesen Job übernehmen, weil sie dafür kritisiert werden. Nun wurde ein Polizist sogar zu Hause bedroht.

 Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster in Baden-Württemberg in ein Flugzeug (Archivfoto).

Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport in Rheinmünster in Baden-Württemberg in ein Flugzeug (Archivfoto).

Foto: Patrick Seeger/dpa

Es sind Demonstrationen wie die in der vergangenen Woche am Düsseldorfer Flughafen, die auch Bundespolizisten nicht kaltlassen. Die rund 300 Menschen, die dort lautstark und vehement mit Plakaten gegen Abschiebungen nach Afghanistan protestiert haben, hinterließen bei vielen Beamten bleibenden Eindruck. "Selbst im privaten Freundeskreis werden Kollegen, die an Abschiebungen teilnehmen, angefeindet", sagt Ernst Walter, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft (DPolG).

Deshalb sei es bei der Bundespolizei sehr schwierig geworden, überhaupt noch Freiwillige zu finden, die abgelehnte Asylbewerber auf den Flügen in ihre Heimatstaaten begleiten. "Uns fehlt schon jetzt das Personal für große Sammelabschiebungen. Geht das so weiter, können wir diese Abschiebungen in der Form bald nicht mehr durchführen."

In Deutschland können nur Beamte der Bundespolizei als Personenbegleiter Ausreisepflichtige begleiten. Und das nur auf freiwilliger Basis. Denn laut Gesetz kann kein deutscher Beamter dazu verpflichtet werden, Dienst im Ausland zu verrichten - und sei der Aufenthalt noch so kurz. An Bord haben die Polizisten aber keine Befehlsgewalt; diese liegt beim Kapitän.

Die Sammelabschiebung mit 19 Menschen an Bord nach Afghanistan in der vergangenen Woche vom Flughafen Düsseldorf ist die neunte seit Dezember 2016 gewesen. Mit den ersten acht Flügen hatten Bund und Länder nach offiziellen Angaben 155 Männer nach Afghanistan zurückfliegen lassen - Tendenz stark steigend. Aber schon um die bisherigen Sammelabschiebungen bewerkstelligen zu können, musste die Bundespolizei bis an die Schmerzgrenze der Belastbarkeit gehen.

So waren für den letzten Flug Kräfte aus dem gesamten Bundesgebiet nötig - und selbst das gelang nur mit Mühe und Not, weil sich zu wenige freiwillig gemeldet hatten. "Wir mussten mehrere Aufrufdurchläufe machen, um die notwendige Zahl an Kollegen zusammenzubekommen. Das war sehr knapp", so Walter. "Das ist schließlich auch ein sehr anstrengender Job. Man begleitet Leute, die nicht freiwillig gehen und sich gegen die Abschiebung wehren."

Abschiebungen nach Afghanistan sind umstritten, weil sich dort der Konflikt zwischen Regierung und islamistischen Taliban sowie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) drastisch verschärft. Allein in Kabul gab es 2017 mehr als 20 schwere Anschläge mit mehr als 500 Toten. Am Wochenende waren bei einem Taliban-Angriff auf ein Hotel mindestens 20 Menschen getötet worden, unter ihnen eine Deutsche.

Bei der Bundespolizei geht man davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen noch weiter verschärfen wird, weil die Bedrohungslage gegen die Bundespolizisten zunehme. So wurde am Dienstag bekannt, dass ein Bundespolizist aus Mönchengladbach, der Abschiebungen vornimmt, von Islamisten vor seiner Haustür bedroht worden ist.

Laut "Bild" floh der Beamte vor den Angreifern in seine Wohnung. Sein Hund habe sie schließlich vertrieben. "Lass es, unsere Brüder nach Hause zu fliegen", sollen die Angreifer gesagt haben. Der Mönchengladbacher war an der Abschiebung nach Afghanistan vergangene Woche beteiligt. "Er ist ein erfahrener Kollege. Und kein Frischling. Wir unternehmen alles, um ihn zu schützen", betont der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft.

Innerhalb der Polizei zeigte man sich schockiert über den Vorfall und sprach von einer neuen Dimension der Bedrohung. Der Staatsschutz in Mönchengladbach ermittelt in dem Fall. Für Bundespolizisten sollen nun die Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden. So sollen die Beamten künftig darauf achten, ob sie verfolgt oder beobachtet werden, wenn sie ihre Arbeitsstelle verlassen.

"Zudem muss eine Auskunftssperre über Polizisten her, damit sich niemand mehr bei den Einwohnermeldeämtern über sie erkundigen kann", betont Walter. Auch Waffen müssten mit nach Hause genommen werden. "Die Kosten für den nötigen Waffenschrank müssen erstattet werden", fordert er.

Weniger freiwillige Rückkehrer im Jahr 2017

Tendenz Die Zahl der abgelehnten Asylbewerber, die zwangsweise oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, ist gesunken.

Zahl 2017 gingen laut Bundesinnenministerium bis Ende November 27.900 Menschen freiwillig zurück. Das waren 20.000 weniger als im gleichen Zeitraum 2016.

(csh)
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