Erika Steinbach tritt aus CDU aus "Das ist nicht mehr meine Partei!"

Düsseldorf · In einem Interview hatte Erika Steinbach ihren Austritt aus der CDU angekündigt, nun hat sie in einer Erklärung nachgelegt: Nach 40 Jahren Mitgliedschaft trete sie aus. Der Bundesregierung wirft sie "wiederholten Bruch des Rechts" vor.

Erika Steinbach tritt aus CDU aus: "Das ist nicht mehr meine Partei!"
Foto: dpa, bvj cul kde

Auszüge aus der Erklärung.

Nun liegt Erika Steinbachs Vorhaben schwarz auf weiß vor: "Mit Datum vom 15. Januar 2017 trete ich sowohl aus der CDU als auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus", verkündete die Politikerin in einer Pressemitteilung, die unserer Redaktion vorliegt.

Steinbach, die in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Sprecherin für Menschenrechte war und dem Fraktionsvorstand angehörte, protestiert mit ihrem Schritt gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin habe mit der Grenzöffnung im Herbst 2015 gegen geltendes Recht verstoßen, hatte Steinbach bereits in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" beklagt.

Warum sie die Partei verlassen will, erklärt Steinbach in Ihrer Erklärung so:

"… dann ist das nicht meine Partei — Seit vielen Monaten quält mich die Frage, ob es mir gelingen kann, überzeugend im bevorstehenden Bundestagswahlkampf für die CDU einzutreten und zu werben. Zu Beginn des neuen Jahres stellte ich mir daher zwei Fragen: 1. Würdest du heute Mitglied der CDU werden? 2. Würdest du heute als Nichtmitglied die CDU wählen? Nach gründlicher Analyse und Abwägung musste ich beide Fragen leider mit nein beantworten."

Ehrliche Konsequenz daraus sei der Parteiaustritt, der ihr nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft schwer falle. 1974 sei sie zur Zeit der Studentenkrawalle in Frankfurt eingetreten. Sie lobt die damalige "programmatische Trias eines christlich-sozialen, eines liberalen und wertkonservativen Politikansatzes".

Dann setzt sie zur Kritik an Kanzlerin Merkel an: "Seit der Regierungsübernahme 2005 durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich das politische Agieren der CDU mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze im Laufe der Jahre beunruhigend, ja dramatisch verändert, wie ich rückblickend erkennen muss." Als Beispiele nennt Steinbach die Euro-Rettungspakete und den "abrupten" Atomausstieg.

Dann kommt sie zu ihrem Hauptkritikpunkt: "Das alles wurde 2015 durch die einsame Kanzlerentscheidung in den Schatten gestellt, mehr als eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft monatelang nach Deutschland nicht nur einreisen zu lassen, sondern sie auch noch mit Bussen und Zügen hierher zu transportieren, obwohl viele aus einem sicheren Herkunftsland kamen und praktisch alle über andere EU-Länder eingereist waren, und demgemäß nach geltendem EU-Recht (Dublin Abkommen) hätten zurückgewiesen werden müssen. All das widersprach unserer geltenden Rechtslage, und hat Deutschland zudem aufgrund des unabgestimmten Vorgehens in Europa isoliert."

Steinbach schreibt: "Bis zum heutigen Tage wissen wir noch immer nicht, wer genau mit diesem Zustrom in unser Land gekommen ist. Die Migranten verfügen zwar alle über Smartphones, aber Pässe und sonstige Ausweisdokumente sind ihnen, oh Wunder, häufig abhandengekommen. (...) Die Entscheidung, wer als tatsächlich politisch Verfolgter einzustufen ist, wurde unverzeihlich in den ersten Monaten über Fragebogen getroffen. Damit wurde dem Asylbetrug Tür und Tor geöffnet."

Und weiter: "Mit den Migranten kamen, das ist aufgrund der fürchterlichen Anschläge inzwischen offenkundig, auch Terroristen nach Deutschland. Die Sicherheitslage unseres Landes und unsere Lebensweise sind darüber hinaus, wie die beiden letzten Silvester beklemmend gezeigt haben, in Gefahr. Und die Kriminalstatistik von 2015 weist aus, wenn man sie gründlich und objektiv analysiert, dass, anders als weitgehend berichtet, die Zahl tatverdächtiger Ausländer um 12,8 Prozent gestiegen ist, wohingegen es 4,9 Prozent weniger deutsche Tatverdächtige gegeben hat."

Die CDU lasse "das unverzichtbare konservative Element" vermissen, so Steinbach. Und: "Es ist erkennbar, dass die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU ihre Entscheidungen im Sinne ihrer Perspektive und politischer Auffassungen notfalls auch unter Außerachtlassung von Recht und Gesetz trifft. Es ist dabei für sie offenkundig unerheblich, ob Grundlagen und Beschlüsse der eigenen Partei konterkariert werden, ob verabschiedete Koalitionsvereinbarungen davon betroffen sind oder ob dadurch geltendes Recht verletzt wird." Angela Merkel habe sowohl der CDU als auch Deutschland "mit ihren einsamen Entscheidungen in wesentlichen Politikbereichen massiv geschadet".

Steinbach beendet ihre Mitteilung mit dem Satz: "DAS IST NICHT MEHR MEINE PARTEI !"

Ihre Partei hatte am Samstag nicht überrascht auf Steinbachs Ankündigung reagiert: Der Generalsekretär der hessischen CDU, Manfred Pentz, sagte: "Ihr Schritt war jedoch leider absehbar, jetzt haben sich die Verhältnisse geklärt." Die Vorwürfe, die Steinbach erhebt, bezeichnete Pentz als "haltlos und maßlos".

Aus der Schwesterpartei kamen andere Töne: "Aus der CSU wäre Steinbach nicht ausgetreten, da bin ich mir ganz sicher", erklärte der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius, der auch Steinbachs Nachfolger an der Spitze des Vertriebenenverbands ist. Die CSU - vor allem Parteichef Horst Seehofer - setzt sich für eine deutlich restriktivere Flüchtlingspolitik ein als Merkel.

Die SPD bezeichnete Steinbachs Rückzug hingegen als "überfällig". Der Menschenrechtsexperte der SPD-Fraktion, Frank Schwabe, bescheinigte Steinbach eine "zynische Sicht auf geschundene Menschen". Ihr Rückzug sei deshalb "ein Segen".

Lob für die Entscheidung erhält Steinbach aus den Reihen der AfD: Vizechef Alexander Gauland kündigte gegenüber der "Welt am Sonntag" an, er werde mit ihr "in der nächsten Zeit sicherlich telefonieren und auch über ihre weiteren politischen Pläne sprechen". Er werde Steinbach aber "nicht bedrängen, in die AfD einzutreten", sagte Gauland, der früher selbst in der CDU war.

(vek / AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort