Schäuble kassiert EZB-Spekulationen "Das ist nicht nett von Ihnen, Frau Slomka"

Im ZDF rasselten am Mittwochabend freundlich, aber bestimmt Finanzminister Wolfgang Schäuble und Moderatorin Marietta Slomka aneinander. Im Gespräch über die heutige Tagung des EZB-Rats fanden die beiden nicht zueinander. Dabei ging es nicht zuletzt um die Frage, wie ehrlich die Bundesregierung sich verhält.

Slomka interviewt Schäuble
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An diesem Vormittag tagt der EZB-Rat. Die Finanzmärkte schauen gespannt nach Frankfurt, gelegentlich war im Vorfeld von einem Showdown zu lesen. Die Banker beraten darüber, ob sie in der Eurokrise Krisenstaaten wie Italien oder Spanien unterstützen sollen, in dem sie Staatsanleihen aufkaufen und sie die Zinsen drücken.

Der Kurs von EZB-Präsident Mario Draghi zum Anleihekaufprogramm stieß vor allem in Deutschland auf massive Kritik. Er hatte angekündigt, die EZB werde "im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten". Bundesbank-Präsident Jens Weidmann lehnt das Programm ab. Nach seiner Überzeugung verstößt die EZB gegen das vertragliche Verbot der Staatsfinanzierung mit Hilfe der Notenpresse.

Schäuble lächelt milde

Die für den Verlauf der Eurokrise so wichtige EZB-Tagung ist auch am Mittwochabend Thema im ZDF-Heute-Journal. Marietta Slomka geht nach einer etwas verstolperten Anmoderation im Interview mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble gleich in die Vollen: "Wird Deutschland im EZB-Rat überstimmt?"

Der lächelt milde, allem Anschein nach hat er schon damit gerechnet und sich ein paar passende Antworten zurecht gelehrt, die Slomka ziemlich alt aussehen lassen. "Deutschland stimmt im EZB-Rat gar nicht ab", belehrt er die Journalistin. Formal hat er damit recht, weil Staaten in der EZB kein Stimmrecht haben, sondern nur unabhängige Notenbanker. Dass Slomka in ihrer Frage weniger auf Abstimmungsverfahren abzielt als deutsche Interessen, die bei der EZB auf dem Spiel stehen, nimmt Schäuble in Kauf.

Indiskretionen bereiten ihm Sorge

Er stellt vielmehr klar: Staatsfinanzierung ist nicht Aufgabe der EZB. Dass in den vergangenen Monaten mehrfach Abstimmungsergebnisse aus dem Gremium herausgetragen wurden, bekümmert ihn hingegen. Mit Indiskretionen hatte die Geldpolitik bislang eher weniger zu kämpfen. Schäuble hält das für problematisch.
Slomka lässt sich mit Standardsätzen nicht abspeisen und hakt nach. Im EZB-Rat, da sitze doch Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank und der sei im Moment ziemlich alleine mit seiner Meinung.

Schäuble hält tapfer dagegen. Er macht gute Miene zum bösen Spiel. Das glaube er nicht. Und von den ganzen Spekulationen über die Meinungsverschiedenheiten in der EZB, davon halte er sowieso nichts. Zudem sei die Auseinandersetzung gar nicht so grundsätzlich. "Ich bin ganz sicher, der EZB-Rat weiß, das Mandat der EZB ist auf die vorrangige Sicherung der Preisstabilität konzentriert", konstatiert Schäuble. Er will kein zusätzliches Öl ins Feuer gießen.

Manchmal reden beide durcheinander

Manchmal geht es durcheinander in diesem Interview, etwa als Slomka noch einmal gezielt auf Weidmann und seine Kritik an EZB-Chef Mario Draghi zu sprechen kommt. Schäuble empfiehlt Slomka, doch einfach ein Interview mit dem Bundesbank-Chef zu machen oder besser noch ein Streitgespräch zwischen Weidmann und EZB-Chef Draghi zu organisieren. Das würden zwar beide nicht machen, aber er bleibe bei seiner Aussage: Die EZB halte sich an ihr Mandat.

Befürchtungen, nun werde die Notenpresse angeworfen, weist er zurück. Schäuble pocht darauf: Für Staaten bestehe der einzige Ausweg aus der Krise darin, die Haushaltsverschuldung zurückzuführen. Immer wieder kommt der Finanzminister zurück auf seine Kernaussage: Die EZB werde sich ihrer Aufgabe widmen, die Preisstabilität zu sichern.

Schäuble wird grantig

Slomka aber bleibt hartnäckig. Lächelnd spricht sie etwas an, das in allen Zeitungen geschrieben steht. Dass nämlich die Bundesregierung eigentlich ganz froh darüber ist, dass die EZB die Kohlen für sie aus dem Feuer holt, wenn sie damit beginnt, Staatsanleihen aufzukaufen. Jeder weiß: Bei Giganten wie Italien oder Spanien stießen die Euro-Retter an ihre Grenzen. Insbesondere die aus Deutschland. In Berlin pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die Chancen von Kanzlerin Merkel, in ihrer Fraktion neue Milliarden zur Euro-Rettung loszueisen, gehen gen Null.

Schäuble aber mag das nicht hören und wird grantig: "Frau Slomka, jetzt unterstellen Sie mir, dass ich das Gegenteil meine, was ich gesagt habe. Und das finde ich jetzt nicht nett von Ihnen!" Bei der Anrede wird Schäuble sogar etwas lauter in der Stimmlage. Nochmals wiederholt er sein Mantra: "Die Bundesregierung denkt genauso wie ich gesagt habe: Die Geldpolitik ist kein Instrument zur Finanzierung von Staaten."

"Ich sollte nicht spekulieren"

Nur einmal lässt Schäuble aufblitzen, dass wohl doch mehr Zunder in dem Thema steckt, als er es nach außen hin zu erkennen gibt: "Ich habe als Finanzminister gar nicht das Recht, ich sollte nicht spekulieren", sagt Schäuble an einer Stelle. Wieder zeigt sich: Ein Politiker kann sich in der Öffentlichkeit nicht so fröhlich über internationale Konflikte und sensible Themen äußern, wie Verfasser von Leitartikeln.

Was in der so prekären Sitzung bei der EZB tatsächlich besprochen wird, bleibt eine offene Frage. Details werden erst am Nachmittag nach der Sitzung erwartet. Die EZB könnte unbegrenzt Staatsanleihen kaufen und damit den verunsicherten Märkten die Sorge vor einem Zerfall der Eurozone nehmen. Doch viele Experten gehen davon aus, dass sich die EZB mit klaren Ansagen zurückhalten wird und erst noch eine andere Entscheidung abwartet: Am 12. September verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum ständigen Rettungsschirm und zum Fiskalpakt.

(pst)
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