Porträt Torsten Albig: "König des Sommerlochs?"

Kiel · Demotivierend, provozierend oder doch nur realistisch? Der Kieler Regierungschef Albig lässt mit Aussagen zur Bundestagswahl 2017 die Wellen in seiner SPD hochschlagen. Es ist nicht das erste Mal.

 Torsten Albig ist der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Torsten Albig ist der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Foto: dpa, reh htf tba

Torsten Albig regiert seit 2012 als Ministerpräsident in Kiel und manchmal schlägt der Sozialdemokrat mit dem markanten glatzköpfigen Schädel bundesweit Wellen - etwa wenn er mit einer Überraschung das Publikum verblüfft. Mit Lob für Kanzlerin Angela Merkel und Zweifeln an Siegchancen der SPD bei der Bundestagswahl 2017 ist ihm das wieder gelungen. Der Gegenwind aus den eigenen Reihen wehte prompt und frisch, Spott und Häme kamen hinzu. "König des Sommerlochs" nannte ihn ein Grüner bei Facebook.

"Ich habe erst einmal tief durchgeatmet und gedacht, das ist ein Stück norddeutscher Humor", sagte der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende und SPD-Bundesvize Ralf Stegner, der viel öfter auf der bundespolitischen Klaviatur spielt.

Diese Klaviatur ist aber auch Albig nicht fremd. Lange Zeit war der heute 52-Jährige Pressesprecher von drei Bundesfinanzministern. "Tu Dir das nicht an!", sagte er einem von ihnen, Peer Steinbrück, und brachte vor drei Jahren die Debatte um die SPD-Kanzlerkandidatur in Fahrt. Albig sprach sich für Frank-Walter Steinmeier aus - und reagierte ein paar Wochen später begeistert auf Steinbrücks Kandidatur. "Ich habe ihm innigst gewünscht, dass er diese Last nicht tragen muss", sagte Albig damals. "Ich freue mich, dass er jetzt diese Last tragen will."

Frischer in Erinnerung ist Albigs Vorstoß für einen "Schlagloch-Soli": Im Frühjahr vorigen Jahres plädierte er für eine Sonderabgabe aller Autofahrer, um mit den Einnahmen kaputte Straßen zu reparieren. Es gab Zuspruch, aber vor allem Gegenwind. Parteichef Sigmar Gabriel bügelte aus Peking die Idee mit der Bemerkung ab, im Koalitionsvertrag stehe dazu nichts. Die gewollte Debatte über den enormen Sanierungsbedarf der teils maroden Verkehrsinfrastruktur hatte Albig aber ausgelöst.

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Schon als Kieler Oberbürgermeister sorgte der Norddeutsche für Furore. 2010 stellte er die deutsche Länderstruktur infrage. "Es gibt eine überflüssige Ebene in Deutschland - das sind die Länder", sagte er seinerzeit. "Für ganz wenig braucht man Landesregierung - außer für sich selber."

Gut zwei Jahre später wurde der Pragmatiker mit "sozialdemokratischem Herzblut" als Chef einer Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) Ministerpräsident. Zuvor hatte er seinen Rivalen Stegner im Kampf um die SPD-Spitzenkandidatur klar bezwungen. Die Erwartung vieler Anhänger, er würde nach dem Sieg den kantigen Polarisierer abschieben, enttäuschte Albig. Er behielt Stegner im Boot und fuhr gut damit. Er ist mehr auf den Fraktions- und Landesparteichef angewiesen als umgekehrt.

Albig musste mit seiner Regierung einige Turbulenzen überstehen und Ministerrücktritte verkraften, steuert aber zuversichtlich die Wahl 2017 an. Wenn er wieder Ministerpräsident wird, sind Überraschungen aus Kiel also auch künftig drin. Er sollte es nicht so weit kommen lassen, meinte FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki: Albig sollte sich angesichts miserabler Umfragewerte an seinen eigenen Worten messen und nicht wieder antreten.

(dpa)
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