Porträt Bilder aus dem Leben von Wolfgang Schäuble
Die Politik war ihm wohl in die Wiege gelegt. Schon der Vater war CDU-Politiker, der Bruder wurde es ebenfalls. Doch die Karriere von Wolfgang Schäuble war einzigartig. Ein Porträt des CDU-Politikers.
Manche nannten ihn Strippenzieher, andere graue Eminenz oder auch Sphinx, weil er so schwer zu durchschauen war. Unbestritten ist mit Wolfgang Schäuble eine der herausragenden Karrieren in der bundesdeutschen Geschichte verbunden.
Daran änderte auch ein Attentat eines Verwirrten im Oktober 1990 nichts, das Schäuble in den Rollstuhl zwang.
(Das Foto zeigt den CDU-Politiker knapp sechs Wochen am 22. November 1990 nach dem Attentat in seinem Rollstuhl in der Rehabilitationsklinik Langensteinbach bei Karlsruhe.)
Schäuble, dessen Vater Karl schon für die CDU im Badischen Landtag saß, hat viel erreicht in seinem Leben. Er war Chef des Kanzleramtes, zweimal Innenminister, Finanzminister, er führte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, stand schließlich dem Bundestag als Präsident vor. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er, als „ewiger Abgeordneter“ wurde er mitunter tituliert.
Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg geboren. Er studierte Jura, es zog ihn aber früh in die Politik. Er trat 1965 in die CDU ein. 1972 errang er erstmals ein Mandat für den Bundestag, dem er ohne Unterbrechung bis zu seinem Tod angehörte.
Kanzler Helmut Kohl macht Schäuble 1984 zum Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 dann zum Bundesinnenminister. Schäuble handelt nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus und gehört mit zu den Architekten der Wiedervereinigung. Als Chef der Unionsfraktion sichert Schäuble von 1991 bis 2000 Kohls Regierungsmacht ab.
(Foto: Bundespräsident Richard von Weizsäcker, CDU, überreicht am 15. November 1994 Wolfgang Schäuble, CDU, seine Ernennungsurkunde als Bundesminister für besondere Aufgaben.)
Während seiner Zeit als Innenminister von von 1989 bis 1991 stand Schäuble unter scharfer Kritik wegen seiner Bestrebungen, den "Rechtsstaat in einen Überwachungsstaat" umwandeln zu wollen. Einer der Gründe dafür war sein Plan, die Bundeswehr im Inneren einsetzen zu wollen.
Zur Bundestagswahl 1998 tritt Kohl noch einmal an, benennt aber Schäuble zu seinem Wunschnachfolger zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu sollte es nicht kommen. Die Union verliert die Wahl. Schäuble wird aber Parteichef.
(Foto: Der damalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble (r) gratuliert dem damaligen CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzler Helmut Kohl, zu seiner Rede bei der traditionellen Wahlkampfauftakt-Veranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle am 23. August 1998)
Schon bald danach erschüttert eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostet Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassen aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100 000 Mark vom Waffenhändler Karlheinz Schreiber gibt Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf. Es kommt zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl. Der Riss lässt sich nie wieder kitten.
Ohne Schäuble wäre die Karriere von Angela Merkel womöglich anders verlaufen. Nach dem Abgang Kohls vom Parteivorsitz macht der neue CDU-Chef Schäuble die vormalige Ministerin zur Generalsekretärin.
Der Jurist aus dem Badischen ist Merkels Stabilitätsanker im Kabinett, Identitätsfigur für den konservativen Flügel der CDU und der Mann für die großen Zahlen. Das gilt sowohl für Europa in den Tagen der Euro-Krise als auch in den strittigen Fragen im deutschen Steuerrecht.
Als Bundesfinanzminister im Kabinett Merkel kam ihm in Zeiten klammer Kassen und der florierenden Euro-Krise eine Schlüsselstellung zu. Mit seiner harten Haltung gegenüber den restlichen EU-Finanzministern zur Frage der Rettung angeschlagener Euro-Länder schuf er sich zwar Respekt, aber auch Feinde.
Und das mit Erfolg: Die europäischen Kollegen fürchten seine Gradlinigkeit, seine Standhaftigkeit im Kampf um die EU-Währung. In Deutschland mussten die einzelnen Minister der schwarz-gelben Koalition um jeden Euro aus dem Bundeshaushalt mit Schäuble feilschen.
Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, blieb Schäuble verwehrt.
In seiner Partei zählte Schäuble eher zu den konservativen Politikern, hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht. Auf der anderen Seite hatte er früher als andere die CDU zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen aufgerufen. Schon 2007 sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Schwarz-Grün ist nicht unser Wunsch, aber eine Option für die Union.“ Im Ringen um die Kanzlerkandidatur 2021 schlug sich Schäuble auf die Seite des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet und stellte sich gegen CSU-Chef Markus Söder.
Anders als die Kanzlerin steigt Schäuble 2021 nach dem Machtverlust der Union nicht aus der Politik aus und kandidiert erneut für den Bundestag, dem er schon fast ein halbes Jahrhundert angehört. In seinem Wahlkreis Offenburg holt er wieder das Direktmandat. Dem Vorbild anderer CDU-Politiker wie Peter Altmaier oder Annegret Kramp-Karrenbauer, die auf ihr gewonnenes Mandat zugunsten von Jüngeren verzichten, folgt Schäuble nicht. Er wolle das Mandat wahrnehmen, und zwar über die volle Wahlperiode, sagt ein Sprecher.
Im Bundestag wurde die SPD-Politikerin Bärbel Bas Präsidentin, Schäuble war nun einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident – nach einer Regeländerung zuungunsten der AfD ist das nun jener Politiker mit den meisten Jahren im Bundestag – eröffnet Schäuble die erste Sitzung und wirbt für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als „Parlamentarier mit Leib und Seele“, wie er selbst einmal sagte.
Auch im Privaten spielte bei Schäuble oft die Politik eine Rolle. Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles jüngerer Bruder Thomas war ebenfalls Politiker und 13 Jahre lang Landesminister in Baden-Württemberg. Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau.
(Foto: Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Frau Ingeborg Schäuble bei der Eröffnung der Ausstellung Wolf Biermann am 5. Juni 2023)
Der CDU-Politiker starb nach langer schwerer Krankheit am 26. Dezember 2023 im Kreise seiner Familie zu Hause Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und Ehefrau Ingeborg (re.), mit der er seit 1969 verheiratet war.
(Das Foto zeigt Wolfgang Schäuble und seine Frau Ingeborg mit ihren Kindern Juliane (Hintergrunf l-r), Hansjörg, Anna und Christine Strobl.)
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