Stärken und Schwächen Das Kabinett Merkel im Check
Angela Merkel (59)
Stärken Erfahrung, Präsenz, Ruhe. Die Kanzlerin wird im Frühjahr so lange im Amt sein wie vor ihr nur Adenauer und Kohl. Merkel kennt die Fallstricke der internationalen Politik, niemand ist so geachtet wie sie. Die Umgestaltung Europas hin zu einem wettbewerbsfähigen Kontinent der Chancen könnte ihr großes Lebensprojekt werden. In ihrer dritten Amtszeit muss sie niemanden mehr etwas beweisen, das könnte sie mutiger machen.
Schwächen Innenpolitisch ist ihr Gestaltungswille bisher nicht erkenntlich. Merkels schwarz-roter Koalitionsvertrag enthält viele Hoffnungswerte. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung sich nur ein wenig eintrübt, sprengen die Ausgabenprograme die Haushalte und Sozialkassen. Für die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes tut sie zu wenig.
Herausforderung Die Euro-Rettung und die Vertiefung der europäischen Integration werden für Merkel auch in ihrer dritten Amtszeit zentrale Themen werden. Innenpolitisch gilt es die Schuldenbremse einzuhalten und die Sozialpolitik auf die alternde Gesellschaft umzusteuern. Zudem muss sie den Versuch unternehmen, ihre Nachfolge so zu regeln, dass die CDU nach ihrem möglichen Abgang 2017 nicht auseinander fällt.
Barbara Hendricks (61)
Stärken Regierungsfahren, unaufgeregt, vernetzt. Die Historikerin aus Kleve war neun Jahre Staatssekretärin im Bundesfinanzministerin, erlebte drei Minister. Als Schatzmeisterin dirigierte sie die Unternehmensbeteiligungen der Partei. Die NRW-SPD stützt sie.
Schwächen Mit der Umweltpolitik hat sich Hendricks bisher eher am Rand beschäftigt, rhetorisch gehört Hendricks zu den Schwachpunkten im Kabinett. Das zentrale Thema Energiewende liegt nicht in ihrer Verantwortung.
Herausforderung Hendricks muss schon bald über das leidige Thema Castor-Transporte entscheiden. 26 Atommülltransporte aus dem Ausland müssen zurückgenommen werden. Nach Gorleben dürfen sie nicht mehr. Aber wohin? Atomkraftwerksbetreiber klagen zudem auf Entschädigungen für die abrupte Abschaltung. Und Hendricks muss das Thema Stadtentwicklung schnell konzeptionieren, vor allem für NRW ist das von Bedeutung.
Frank-Walter Steinmeier (57)
Stärken Wenige Politiker sind international so angesehen und gleichzeitig so leidenschaftliche Außenpolitiker wie Steinmeier. Von Kirgistan bis Südsudan kennt der SPD-Mann zudem sämtliche Konflikte noch aus seiner Amtszeit. Steinmeier gilt als ausgleichend, moderierend, umsetzungsstark. Gute Eigenschaften für einen Chef-Diplomaten.
Schwächen Steinmeiers pragmatische Russland-Politik ist auch in der eigenen Partei umstritten. Außerdem ist der 57-Jährige überzeugter Transatlantiker. In den Verhandlungen mit den USA über das Anti-Spionage-Abkommen dürfte das nicht unbedingt förderlich sein.
Herausforderung Steinmeier muss sich neben der in der Europa-Politik omnipräsenten Kanzlerin seine eigene Spielweise in der internationalen Politik suchen. Der Nahost-Konflikt brodelt weiter, die Beziehungen zu den USA sind geschwächt. Russland und China werden selbstbewusster. Deutschland unwichtiger. Keine einfachen Bedingungen.
Alexander Dobrindt (43)
Stärken Der 43-jährige Soziologe ist ein zäher, gewiefter Strippenzieher, den schon mancher Parteifreund unterschätzte. Hinter der rauflustigen Generalsekretärs-Oberfläche steckt ein blitzgescheiter Stratege und bodenständiger Familienvater. Nur weiß das kaum einer.
Schwächen Genau das. Alexander Dobrindt nahm in den letzten Jahren als Chef-Kämpfer für die CSU noch jede Vorlage für einen plumpen Spruch gegen die Konkurrenz mit. Dobrindt muss sich in die Verkehrs- und Internetthemen erst noch einarbeiten.
Herausforderung Die Pkw-Maut ist das Herzensanliegen von CSU-Chef Horst Seehofer. Doch die Umsetzung bedarf eines kniffligen Gesetzesakts, an dem Dobrindt gemessen wird. In der digitalen Welt muss sich Dobrindt erst noch beweisen. Das notwendige Geld für den Breitbandausbau hat die Koalition ihm verweigert. Dennoch ist die Digitalisierung der Industriestandorts die große Chance für den jungen Minister.
Wolfgang Schäuble (71)
Stärken Schäuble genießt hohe Achtung bei Union und SPD, ebenso auf internationalem Parkett. Niemand kann diesen schlauen Fuchs über den Tisch ziehen. Er beherrscht seinen fachlich und machtpolitisch Job aus dem Eff Eff.
Schwächen Der 71-Jährige hatte zwischenzeitlich gesundheitliche Probleme. Im Zusammenhang mit internationalen Verhandlungen klagte er darüber, dass er Englisch nicht perfekt spricht. Er ist ungeduldig und tritt mitunter herrisch auf.
Herausforderung Die Eurorettung unter Schonung des deutschen Steuerzahlers bleibt Schäubles großes Projekt. Innenpolitisch muss er ab 2016 die Schuldenbremse umsetzen und gemeinsam mit den Ländern die Finanzen im Föderalismus neu ordnen.
Sigmar Gabriel (54)
Stärken Die Union war in den Koalitionsverhandlungen beeindruckt, wie Gabriel in der Tonart zwischen verbindlich, scharf und humorvoll wechseln kann. Er gilt als größtes politisches Talent der SPD seit Gerhard Schröder.
Schwächen Gabriel denkt sehr stark in Freund-Feind-Bildern. Er kann aufbrausend, sprunghaft und unhöflich sein. Politische Ideen testet er gerne mal mit einem Aufschlag in der Öffentlichkeit aus, bevor er mit den Genossen darüber spricht.
Herausforderung Gabriel hat eines der schwierigsten Regierungsämter übernommen. Er muss die Energiewende im Konsens mit den rot-grün geführten Bundesländern umsetzen. Sein Vorteil ist, dass auch das Umweltministerium in SPD-Händen liegt.
Ursula von der Leyen (55)
Stärken Die siebenfache Mutter ist sehr durchsetzungskräftig, in der Bevölkerung beliebt und kann Politik gut erklären. Sie arbeitet strukturiert und diszipliniert und hat mit ihrem dritten Bundesministerium reichlich Erfahrung darin, ein Haus auf Kurs zu bringen.
Schwächen Sie ist eine Verteidigungsministerin mit vielen Feinden. Von der Leyen regierte bislang stets mit einem kleinen Kreis aus Vertrauten. Ihre Parteifreunde stieß sie immer wieder vor den Kopf. daher hat sie viele Feinde.
Herausforderung Sie muss den Abzug der Soldaten aus Afghanistan organisieren, die Rüstungsbeschaffung nach der Drohnen-Pleite neu aufstellen, die Zusammenarbeit von EU und Nato vertiefen und die begonnene Bundeswehrreform nachbessern.
Andrea Nahles (43)
Stärken Die bisherige SPD-Generalsekretärin hat ein äußerst robustes Naturell und scheut keine Auseinandersetzungen. Im Themenfeld Arbeit und Soziales kennt sie sich sehr gut aus. Das hat sie für den Koalitionsvertrag selbst verhandelt.
Schwächen Die 43-Jährige gilt in ihrer Organisation als etwas chaotisch. In der Bevölkerung stößt ihr hemdsärmeliges Auftreten eher auf Ablehnung. Ihr Rückhalt in der Partei ist mäßig. Nahles hat bislang keinerlei Erfahrung im Regieren.
Herausforderung Nahles darf eine Reihe von Projekten umsetzen, mit denen sie im Volk punkten kann: Mindestlohn, abschlagfreie Rente ab 63 Jahren, höhere Erwerbsminderungsrente und auch die von der Union versprochenen Mütterrente.
Manuela Schwesig (39)
Stärken Die Hartnäckigkeit mit der die bisherige Sozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern in Verhandlungen auftritt, ist legendär. Fachlich ist sie beschlagen: Sie beschäftigt sich seit Jahren als SPD-Vize und Landesministerin mit Familien-, Frauen- und Sozialthemen.
Schwächen Ihre Kompromissbereitschaft ist mäßig ausgeprägt. In Talkshows wirkt sie oft steif und ein wenig verbohrt, weil ihr die Lockerheit fehlt. Sie ist nicht gerade ein intellektuelles Schwergewicht.
Herausforderung Mit wenig Finanzmitteln muss Schwesig für die SPD das Feld Familie zurückerobern. Kleine Verbesserungen bei der Pflegezeit oder beim Elterngeld werden nicht reichen. Mit dem Gesetz zur Frauenquote hat sie die Chance, sich bekannt zu machen.
Hermann Gröhe (52)
Stärken Obwohl er bislang CDU-Generalsekretär war, gilt Gröhe als ein Mann mit Maß und Mitte. Er ist ein Typ, wie ihn die Kanzlerin schätzt: Bodenständig, ohne Allüren, zugleich sehr klug. Außerdem ist er mit rheinischem Gemüt ausgestattet.
Schwächen Kompliziertes lässt Gröhe kompliziert. In der Gesundheitspolitik birgt diese Eigenschaft das Risiko, nicht verstanden zu werden. Gröhe gehört nicht zu der Sorte Politiker, die alle Probleme in drei kurzen Sätzen lösen können.
Herausforderung Eigentlich muss der neue Minister über die Festlegungen im Koalitionsvertrag zur Krankenhaus- und Pflegereform hinausgehen. Auch das Verhältnis von privater und gesetzlicher Krankenversicherung muss neu justiert werden.
Thomas de Maizière (59)
Stärken Bis vor zweieinhalb Jahren war er bereits Innenminister und hatte sich in die Breite der Zuständigkeiten mit einer inneren Neigung zum Metier tief eingearbeitet. Er kann also sofort gut durchstarten.
Schwächen Sein Nimbus als fehlerfreier Organisator effizienter Bürokratie hat durch das „Eurohawk“-Drohnendesaster Schaden genommen. Noch eine Affäre solchen Ausmaßes würde ihn in Bedrängnis bringen.
Herausforderung Den Doppelpass hat die SPD der Union aufgezwungen. Den muss er zu einem gemeinsamen Projekt machen. Auch die Asyl- und Flüchtlingsprobleme sind neue Herausforderungen. Und er lebt stets unter Terrordrohungen.
Johanna Wanka (62)
Stärken Erfahrungen als Wissenschaftlerin, kombiniert mit 13 Jahren als Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Niedersachsen ließen sie seit Januar zügig verlässliche Kompetenz im neuen Amt sichtbar werden.
Schwächen Da sie kein Abgeordnetenmandat hat, ist sie nicht in der Fraktion verankert. Als CDU-Chefin in Brandenburg ausgeschieden, in Niedersachsen nicht aufgestiegen, ist sie auch in der Partei ohne Hausmacht.
Herausforderung Das BAFöG soll reformiert, die Studienplätze müssen vermehrt und deren Vergabe verbessert werden. Fällt das Kooperationsverbot, bekommt Wanka auch viel Arbeit bei der Bildungs- und Uni-Finanzierung.
Heiko Maas (47)
Stärken Er ist examinierter Jurist und steht für gutes schwarz-rotes Regieren als Vize-Ministerpräsident des Saarlandes. Außerdem bringt er Ministerialerfahrungen aus dem Landes-Umwelt- und Wirtschaftsressort mit.
Schwächen Weder mit den Aufgaben, Herausforderungen und Tücken eines Justizministeriums noch mit den Herausforderungen der administrativen Regierungsarbeit auf Bundesebene ist er bislang näher vertraut.
Herausforderung Neben Modernisierungen im Strafrecht und im Justizvollzug (elektronische Akten) muss er die Vorratsdatenspeicherung so stemmen, dass die Bürger in puncto Datenschutz nicht das Vertrauen verlieren.
Peter Altmaier (55)
Stärken Wiederholt hat Merkel den neuen zentralen Strippenzieher der Regierung als Problemlöser erfolgreich getestet. Im Herzen ein Schwarz-Grüner, blickt er über eingefahrene Wege und Bündnisse hinweg.
Schwächen Der Twitter-Fan mag die Transparenz seines Tuns und hält gerne in TV-Talks den Kopf für die CDU hin – was sich erfahrungsgemäß mit dem Job des verborgen wirkenden Kanzleramtschefs schlecht verträgt.
Herausforderung Er koordiniert die gesamte Regierungsarbeit, muss ständig nachsteuern, wenn es irgendwo hakt. Vor allem muss er die Zustimmung im Bundesrat organisieren, da Schwarz-Rot dort keine eigene Mehrheit hat.
Christian Schmidt (56)
Stärken Der CSU-Politiker bringt viel Regierungserfahrung mit. Acht Jahre lang war er Parlamentarischer Staatssekretär im riesigen Verteidigungsministerium, eignete sich Verhandlungsgeschick auch in komplexen internationalen Problemen an.
Schwächen Nach der Regierungsbildung hatte er sich gerade als neuer Staatssekretär in die Materie der Entwicklungszusammenarbeit eingearbeitet, als ihn der Ruf auf den Chefsessel im Landwirtschaftsressort ereilte. Bisher hatte er mit dieser Materie allerdings herzlich wenig zu tun.
Herausforderungen Schmidt bleibt die erste Wahl, wenn es darum geht, Schuldige für neue Lebensmittelskandale zu finden. Dann kommt es darauf an, Koordinierung als Handeln zu verkaufen, denn die meiste Zuständigkeit liegt bei seinen Länderkollegen. Auch die Auseinandersetzung um Genmais steht ihm bevor.
Gerd Müller (58)
Stärken Seit 2005 ist er bereits ministerial-erfahren als Agrar-Staatssekretär. Auch der CSU-Chef gibt ihm volle Rückendeckung. Zumindest mit Wirtschafts- und Außenpolitik hat er sich auch bereits beschäftigt.
Schwächen Die Entwicklungszusammenarbeit ist fremdes Terrain für den Schwaben. Viele Akteure misstrauen ihm, weil sie ihn für einen Lobbyisten für deutsche Agrarexporte halten – ein Problem für Bauern in armen Ländern.
Herausforderung Die Milleniumsziele für weltweit bessere Lebensbedingungen kommen international auf den Prüfstand. Müller muss Niebels Reformen stabilisieren und für die versprochenen zusätzlichen Mittel kämpfen.