Zehn Jahre nach Einführung Das Pfand hat die Dose klein gemacht

Vor zehn Jahren beschloss Rot-Grün das Dosenpfand. Nach chaotischen Anfangsjahren hat es dazu geführt, dass leere Dosen aus dem Straßenbild verschwunden sind. Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin findet, dass ihm die Geschichte im Nachhinein recht gegeben hat.

So funktioniert das Dosenpfand
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Foto: AP

Grölende Punks ziehen mit Einkaufswagen durch Westerland auf Sylt, sie schmeißen ihre leeren Bierdosen auf die Flaniermeile. Die Band Illegal 2001 singt "Dosenbier macht schlau". Und Züge der Deutschen Bahn werden auf dem Weg zum Bundesligaspiel mit hunderten Büchsen zugemüllt. Die Bierdose wird zum Symbol der Wegwerfgesellschaft — bis SPD und Grüne zu Spielverderbern werden.

2002 lag die Mehrwegquote nur noch bei 60 Prozent, gesetzlich vorgeschrieben waren aber 72 Prozent. Um die Quote wieder zu steigern, beschloss die rot-grüne Bundesregierung am 20. März nach zweijährigem Gezerre ein Dosenpfand. Es war neben dem Atomausstieg eine der umstrittensten Regierungsreformen jener Jahre.

Ab 2003 wurde damit auf alle Einwegverpackungen mit Bier, Cola und Limonade ein Pfand von 25 bis 50 Cent fällig, je nach Größe. Die Bierdose und die Plastikflasche wurden zum Objekt der Begierde für Pfandsammler, die in Zeiten wachsender Armut in großen Städten seitdem überall im Müll nach Pfandgut stöbern.

Zunächst Chaos bei der Rücknahme

Die Opposition schäumte angesichts der Zwangsmaßnahme, besonders Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) wurde hart attackiert.
CDU-Chefin Angela Merkel sagte: "Der Schwachsinn kennt an der Stelle keine Grenzen." Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber klagte: "Diesen Chaos-Minister Trittin hat Deutschland nicht verdient. Wann "tritt ihn" endlich jemand zurück?" Trittin keilte zurück: "Von wegen Laptop und Lederhose. Einwegflaschen und Dosen - das ist Ede Stoiber".

Was Union und FDP gerne vergessen: CDU-Umweltminister Klaus Töpfer hatte 1991 die Verpackungsverordnung erlassen. Demnach musste ein Pfand eingeführt werden, wenn der Mehrweganteil von 72 Prozent mehrere Jahre hintereinander unterschritten wird. Trittin wollte sogar ein Pfand für alle Getränkesorten, konnte sich hiermit aber nicht durchsetzen.

Große Handelsketten wie Aldi, Rewe und Tengelmann zogen alle Register, um das Pfand zu verhindern, sie fürchteten zudem eine Abwanderung der Kunden zu Getränkemärkten. Die Pfandgegner zogen bis vor das Bundesverfassungsgericht - und scheiterten.

Der Verbraucher rätselte zunächst, warum was mit einem Pfand belegt war - Fruchtsäfte, Schnaps, Sekt, Wein und stilles Wasser blieben pfandfrei. Es gab Pfandbons, die Dose konnte zunächst nur da zurückgegeben werden, wo sie gekauft worden war. Ein Problem, wenn nur mal eben am Kiosk eine Cola auf dem Weg zur Arbeit gekauft wurde.

Erst nach und nach durfte der Verbraucher dann überall, wo pfandpflichtige Dosen verkauft wurden, diese auch zurückgeben. 2006 kam es schließlich zum Ende der "Insellösungen" für Discounter wie Aldi und Lidl, die bis dahin nur eigene Flaschen und Dosen zurücknahmen. Nun mussten alle auch Leergut annehmen, das von Konkurrenten stammt. Zudem wurde die Pfandpflicht auf Alkopops ausgedehnt.

Bei Bier Mehrwegquote von 88,5 Prozent

Und heute? Dosen sind inzwischen rar geworden - und vielerorts gibt es gerade für Plastikflaschen Rückgabeautomaten, das Pfandsystem ist zur Normalität geworden. "Nach dem Wegfall der Insellösungen ist das Einwegpfand eine Erfolgsgeschichte", sagt Maria Elander, Abteilungsleiterin Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe.

Es gebe einen "Wandel im Handel". "Sie verdienen relativ gut an den Wertstoffen, die zurückkommen, für PET-Flaschen gibt es mehrere hundert Euro pro Tonne, das macht es attraktiv, sie einzusammeln", sagt Elander und betont: "Das ist ein unschlagbares System."

Zuletzt gab es beim Bier eine Mehrwegquote von 88,5 Prozent - aber insgesamt lag die Quote nur bei rund 50 Prozent und damit noch niedriger als vor zehn Jahren. "Das liegt aus unserer Sicht daran, dass gerade Discounter den Konsumenten gar keine Wahl lassen und nur Einweg anbieten", sagt Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt. Zudem erledigten mehr Menschen als früher dort ihren Getränkekauf. Aber gerade bei den bepfandeten Getränkeverpackungen gebe es eine hohe Rücklauf- und Recycling-Quote. "Es landet nicht im Restmüll und der Natur." Am besten sei es jedoch, Mehrwegflaschen zu kaufen.

Und was sagt der "Erfinder", Jürgen Trittin, heute? Die Geschichte hat ihm quasi recht gegeben. "Die Getränkedosen sind weitgehend verschwunden", sagt der heutige Bundestagsfraktionschef der Grünen. "Straßenränder, Parks und Wälder werden nicht mehr vermüllt, und Bier wird wieder aus der Mehrwegflasche getrunken."

(dpa)
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