"Nationale Kraftanstrengung" Das sind die 16 Punkte in Merkels Abschiebe-Plan

Immer mehr Flüchtlinge müssen ausreisen, weil die Behörden ihre Anträge abgelehnt haben. Die Kanzlerin will die Zahl der Rückkehrer mit einer "nationalen Kraftanstrengung" vervielfachen. Wir haben die Pläne zusammengefasst, über die am Donnerstag im Kanzleramt beraten wird.

Immer mehr Flüchtlinge müssen ausreisen, weil die Behörden ihre Anträge abgelehnt haben. Die Kanzlerin will die Zahl der Rückkehrer mit einer "nationalen Kraftanstrengung" vervielfachen. Wir haben die Pläne zusammengefasst, über die am Donnerstag im Kanzleramt beraten wird.

  1. Gesetzesverschärfungen. Unter anderem: Gefährder können in Abschiebehaft genommen und leichter überwacht werden. Wer seine Rückführung durch Täuschung verhindert, bekommt einen Aufenthaltsort zugewiesen. Zur Identitätsfeststellung dürfen die Behörden auch Handydaten auswerten. Auch der Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen wird verlängert. Einige Länder haben hier noch Bedenken im Detail.
  2. Geldzahlungen. Der Bund stockt die Rückkehrprogramme um 40 und die Wiedereingliederungsprogramme um 50 Millionen Euro auf. Je früher Flüchtlinge Deutschland freiwillig verlassen, umso mehr Geld bekommen sie (800/1200 Euro für jeden ab zwölf Jahre). Aber: Fehlanreize sollen vermieden werden, damit man nicht mehr Geld bekommt, als die Reise nach Deutschland gekostet hat.
  3. Rückkehrberatung. Schon in den Erstaufnahmeeinrichtungen bekommen Migranten Hinweise über die Vorteile einer schnellen Rückkehr, vor allem jene, die aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten kommen. Weitere Beratungen gibt es im Asylverfahren.
  4. Kontaktstellen. Die Verantwortung für alle Aufgaben, die mit der Rückkehr zu tun haben, wird in den Ländern auf eine oder mehrere zentrale Stellen konzentriert. Bund und Länder benennen feste Ansprechpartner.
  5. Ausreisezentren. Menschen ohne Bleibeperspektive sollen gar nicht erst auf die Städte und Gemeinden verteilt werden. Für alle Ausreisepflichtigen schaffen die Länder Plätze in zentralen Einrichtungen. Auch der Bund ist bereit, Bundesausreisezentren zu schaffen und den Ländern für die letzten Tage oder Wochen vor der Abschiebung die Verantwortung abzunehmen. Diese Kompetenzverlagerung ist bei den Ländern stark umstritten. Bedenken der Bayern konnten bei der Koalitionsrunde am Montag in München ausgeräumt werden.
  6. Dublin-Verstärkungen. Nach dem so genannten Dublin-Verfahren ist jeweils der EU-Staat für das Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling erstmals europäischen Boden betritt. Andere Staaten können die Flüchtlinge dorthin zurückschicken. Um über diesen Weg mehr zu bewegen, stellt der Bund deutlich mehr Personal zur Verfügung, damit die behördlichen Vorläufe (Antrag, Zustimmung, Vollzug) verbessert werden können.
  7. Bundesrückkehrzentrum. In einem "gemeinsamen Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr" (ZUR) werden Beamte aus Bund und Ländern zum Beispiel Sammelrückführungen organisieren und in Problemfällen wie dem des mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri mit Hochdruck die nötigen Papiere besorgen. Jedes Land soll in dem vom Bundesinnenministerium geleiteten ZUR vertreten sein, wenn das Zentrum binnen drei Monaten die Arbeit aufnimmt.
  8. Abschiebungshaft. Die Länder sollen sich verpflichten, in räumlicher Nähe zu zentralen Ausreiseeinrichtungen eine "ausreichende Zahl" von Abschiebungshaftplätzen bereitzustellen. Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass Abschiebehaft sich klar von gewöhnlichem Strafvollzug unterscheiden muss.
  9. Einheitliches Vorgehen. Das Bundesinnenministerium soll nach diesem Konzept "Anwendungshinweise" zum Aufenthaltsgesetz vorlegen, damit das Vorgehen der Länder in Sachen Abschiebungen einheitlich wird. Das ist der heikelste Punkt. Denn die beiden rot-rot-grünen Landesregierungen in Thüringen und Berlin haben sich zum Beispiel sogar in ihren Koalitionsverträgen darauf festgelegt, Abschiebungen nach Möglichkeit ganz zu vermeiden. Parallel dazu werden gerade Gutachten erstellt, ob das Ausländerrecht solche weitreichenden eigenen Ermessensspielräume überhaupt zulässt.
  10. Übersicht. Bis zum 1. Mai sollen die Innenminister von Bund und Ländern ein Verfahren entwickeln, durch das alle Rückführungen und sämtliche Ausreisen erfasst werden. Dabei sollen sie auch auf die Daten bei den Ausländer- und Sozialbehörden zugreifen können. Auch die Informationen über strafrechtliche Ermittlungen sollen besser vernetzt werden.
  11. Rückkehr-Software. Das nun mit allen Flüchtlingsdaten geführte Ausländerzentralregister soll weiterentwickelt werden, so dass sich von allen beteiligten Stellen genau verfolgen lässt, wie die Rückkehr von der negativen Asylentscheidung bis zur Ankunft im Herkunftsland verläuft.
  12. Sanktionen. Wer Hindernisse vor einer Abschiebung aufbaut, soll mit Beschäftigungsverboten und Leistungskürzungen bestraft werden. Um das besser umzusetzen, wird die Kommunikation zwischen Ausländer- und Sozialbehörden verbessert.
  13. Druck auf Heimatländer. Die Bundesregierung sichert verstärkten Druck auf Herkunftsländer zu, bei der Beschaffung von Ersatzpapieren und Rücknahme ihrer Landsleute besser zu kooperieren. Insbesondere NRW hat mit den Maghreb-Staaten erhebliche Probleme, weil die nur ein bis zwei Rückkehrer pro Linienflieger akzeptieren. Das funktioniert auch nur, so lange die Betroffenen keinen Widerstand leisten. Die NRW-Regierung will künftig Abschiebungen per Charterflieger. So lange der Bund das nicht ermöglicht, will NRW auch nicht neu darüber nachdenken, ob die Maghreb-Staaten vielleicht doch zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Erst müsse sich die "faktische Rückführung" ändern.
  14. Reisefähigkeit. Der Abschiebestopp per ärztlichem Attest soll ebenfalls auf den Prüfstand. So sollen die Länder vermehrt Amtsärzte einsetzen, die die Reisefähigkeit ausreisepflichtiger Personen untersuchen.
  15. Folgeanträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll zusichern, Asylfolgeanträge beschleunigt zu bearbeiten, wenn durch das angehängte Verfahren eine eigentlich fällige Rückführung verzögert wird.
  16. Erfolgskontrolle. Bis Ende März sollen die Innenminister von Bund und Ländern einen Zwischenbericht vorlegen, wie die beschlossenen Maßnahmen vorankommen. Im Juni erwarten die Regierungschefs von Bund und Ländern einen Abschlussbericht.
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