Spitzentreffen von Union und SPD Das treibt die Verhandlungsführer im Groko-Gespräch an

Berlin · Die Parteispitzen von Union und SPD stecken am heutigen Mittwoch den Fahrplan für die Verhandlungen über eine große Koalition ab. Alle sechs haben großes Interesse an einem Erfolg. Bei einer Neuwahl stünden sie vor einer ungewissen Zukunft.

 Martin Schulz und Angela Merkel in Brüssel bei der EU. Zu dieser Zeit war Schulz noch EU-Parlamentspräsident (Archivfoto).

Martin Schulz und Angela Merkel in Brüssel bei der EU. Zu dieser Zeit war Schulz noch EU-Parlamentspräsident (Archivfoto).

Foto: Yves Herman/rtr

Mögen Union und SPD ab Januar auch mit rund 30 Politikern eine Regierungsbildung ausloten - richten werden es am Ende nur sechs: die Partei- und Fraktionschefs. In diesem kleinen Kreis kommen sie an diesem Mittwoch um 9 Uhr im Abgeordnetenbüro von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles zum zweiten und letzten Mal vor Beginn der Sondierungen zusammen.

Es soll ein Prioritäten- und Terminplan erarbeitet werden; von etwa 20 Themenblöcken ist die Rede. Die SPD will am 21. Januar einen Sonderparteitag in Bonn über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden lassen. Gegen den zuvor genannten 14. Januar hatten die Jusos protestiert, weil sie massiven Zeitdruck befürchteten. Geht alles glatt, könnte die Regierung zu Ostern stehen. Sicher ist aber nichts.

Ein Blick auf Ausgangslage, Motive und Aussichten der Verhandlungsführer:

 Angela Merkel.

Angela Merkel.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Angela Merkel (63, CDU) hat ein Scheitern der Jamaika-Sondierungen trotz eigener Begeisterung für ein Bündnis mit FDP und Grünen nicht abwenden können und will mit der SPD nun nicht gleich die zweite Schlappe erleiden. Für die Kanzlerin wäre eine Neuwahl, zu der sie wieder antreten würde, auch der sichere Beginn einer breiten Nachfolgedebatte. Ginge es nach ihr, würden Union und SPD, die ja immer noch gemeinsam geschäftsführend die Regierung stellen, jetzt zügig die Fortsetzung beschließen.

 Volker Kauder.

Volker Kauder.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Volker Kauder (68, CDU) ist einer der engsten Vertrauten Merkels. Einst ihr Kritiker, sorgt er seit zwölf Jahren als Unionsfraktionschef für den Rückhalt der Abgeordneten und will Merkel noch einmal als Kanzlerin vereidigt sehen. Es ist davon auszugehen, dass er nicht mehr lange im Bundestag bleiben würde, wenn Merkel ginge. Eine erneute große Koalition wäre für ihn vielleicht weniger spannend als Jamaika, dafür aber wohltuend verlässlich.

 Horst Seehofer.

Horst Seehofer.

Foto: ap, Matthias Schrader

Horst Seehofer (68, CSU) ist nach turbulenten Wochen und parteiinternen Kampfansagen gerade als Parteichef wiedergewählt worden - in der Erwartung, die CSU im Herbst 2018 bei der Landtagswahl in Bayern wieder mit absoluter Mehrheit auszustatten. Eine schwächelnde Union wäre der denkbar schlechteste Start in die Wahlkampfphase. Wichtig ist für ihn, die herausragenden CSU-Wahlversprechen für die Bundestagswahl im Koalitionsvertrag wiederzufinden. Dazu zählt die Zahl von 200.000 Menschen, die höchstens pro Jahr nach Deutschland kommen können sollen, um die Integrationskraft der Bundesrepublik zu erhalten. Wenn er Anfang nächsten Jahres sein Ministerpräsidentenamt an Markus Söder abgibt, käme es ihm zeitlich überaus passend, das mit seinem eigenen Eintritt in die neue Regierung im Bund zu verbinden.

 Alexander Dobrindt.

Alexander Dobrindt.

Foto: Michael Kappeler/dpa

Alexander Dobrindt (47, CSU) hat das Verkehrsministerium zugunsten des Postens des CSU-Landesgruppenchefs aufgegeben. Was von außen wie ein Abstieg wirken kann, ist in Wirklichkeit ein Aufstieg: Er steuert nun ganz zentral die Umsetzung von CSU-Vorstellungen in schwarz-rote Politik. Bei der Formulierung des Koalitionsvertrags wird er darauf achten, dass die CSU in allen Kapiteln vorkommt. Dobrindt will den Erfolg in Berlin, weil das weitere Zukunftsperspektiven für ihn bedeutet. Seehofer könnte sich Dobrindt als seinen Nachfolger an der Parteispitze vorstellen.

 Martin Schulz.

Martin Schulz.

Foto: Michael Kappeler/dpa

Martin Schulz (62, SPD) hat heute Geburtstag und muss den Zweiundsechzigsten ausgerechnet mit jenen Menschen verbringen, denen er noch am Wahlabend im September wegen des desaströsen SPD-Ergebnisses eine resolute Absage an jegliche weitere Regierungszusammenarbeit erteilt hatte. Für den SPD-Chef bedeuten die Sondierungen eine Zerreißprobe. Er gilt als angeschlagen und muss versuchen, seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Er muss zudem die Erneuerung der SPD vorantreiben. Auch davon hängt seine persönliche Zukunft als Parteichef ab. Um die Partei nicht zu spalten, wird Schulz ein klares Koalitionsbekenntnis vermeiden. Ob er selbst nach einem Regierungsamt greift, ist offen. Vor diesen Gesprächen hatte er es ausgeschlossen.

 Andrea Nahles.

Andrea Nahles.

Foto: afp/John MasDougall

Andrea Nahles (47, SPD) kennt den Berliner Politikbetrieb in- und auswendig. Selbst Koalitionsverhandlungen hat sie, anders als Schulz, schon zur Genüge geführt. Als frühere Arbeitsministerin genießt sie bei der Union viel Anerkennung. So könnte Nahles, die eher linke SPD-Positionen vertritt, zur wichtigsten Gesprächspartnerin für die vier Konservativen werden. Als SPD-Fraktionschefin ist sie in einer deutlich mächtigeren Position als Schulz. Ähnlich sind sich die beiden aber in der Art des Auftretens: ziemlich emotional.

(jd , may-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort