Klausur in Wildbad Kreuth David Cameron lässt bei der CSU die Augen leuchten

Wildbad Kreuth · Die Briten sind Vorbild für Horst Seehofer: Klare Ansagen in Sachen Flüchtlingspolitik und Grenzkontrollen in nationaler Hand. Nun war David Cameron zu Gast bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth.

Es hat frisch geschneit über Nacht, und die grandiose Alpenkulisse von Wildbad Kreuth scheint in strahlender Sonne direkt in die Gesichtsnerven aller CSU-Abgeordneten bei der Landesgruppenklausur einzuwirken und so etwas wie ein Dauergrinsen, eine schier unerschütterliche Politik-Fröhlichkeit auszulösen. Oder ist es gar nicht die bayerische Postkartenidylle? Ist es der eloquente Gast des Vormittags?

Der Kontrast von Kreuth lässt sich in diesem Jahr tatsächlich personalisieren. Ging den Christsozialen am Vorabend bei Bundeskanzlerin Angela Merkel das Messer in der Tasche auf, fühlen sie sich nun wie befreit nach der Begegnung mit Merkels britischem Amtskollegen David Cameron.

Cameron macht, was sich die CSU von Merkel erhofft, aber nicht bekommt. Als Beitrag der Briten zur europäischen Solidarität bietet er an, 20.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Klare Obergrenze. Punkt. Merkel hat es Stunden zuvor an derselben Stelle jedoch vehement abgelehnt, sich mit der "Orientierungsgröße" von Horst Seehofer ("höchstens 200.000" Flüchtlingen in Deutschland pro Jahr) überhaupt zu beschäftigen.

Nachdem sie mehrfach mit bohrenden Fragen nach ihrem Alternativplan und Zweifeln an ihrem Konzept konfrontiert worden war, ist sie laut geworden und hat darauf verwiesen, sich diese Situation "nicht ausgesucht" zu haben.

Ausgesucht hat sich Cameron dagegen die Volksabstimmung über den Verbleib der Briten in der EU. Dafür will er nur werben, wenn die EU seine Forderungen erfüllt, allem voran die Aussetzung von britischen Sozialleistungen für EU-Ausländer in den ersten vier Jahren. Die Briten spürten den "Druck übergroßer Migration" in den Wohlfahrtsstaat sehr genau, erläutert er in Kreuth — und steht hier Seite an Seite mit der CSU. Deren Generalsekretär Andreas Scheuer hat schon am Vortag die Rückkehr zum Grundsatz "wer faul ist, bekommt nichts" verlangt.

Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt erklärt ebenfalls Camerons Kurs zum Vorbild. Also bessere Grenzkontrollen, abgeschottete Sozialsysteme und EU-Reformen, die die Nationalstaaten stärken. "Wir bemühen uns, diese Diskussion auch in Deutschland zu führen", sagt sie nach dem Treffen mit Cameron. Und vorher war sich Parteichef Seehofer schon sicher, das Konzept von Camerons Konservativen sei "CSU pur" — mit einem neuen Konservatismus Staat und Gesellschaft modernisieren. Vor allem sei ja mal interessant für deutsche Politiker, vom einzigen Regierungschef in Europa mit absoluter Mehrheit zu erfahren, wie das so ist.

Mal wieder mit absoluter Mehrheit im Bund regieren, diese Vorgabe hat Seehofer für 2017 offenbar noch nicht aufgegeben. Die Rolle der CSU würde damit noch sehr viel wachsen, statt bislang zumeist der kleinere oder kleinste Koalitionspartner zu sein. Wofür die CDU die CSU brauche? "Damit die CDU den Kanzler stellen kann", sagt Seehofer. Und er den Vizekanzler, aber das sagt er nicht.

"Erfrischend klar und konkret" erlebt Entwicklungsstaatssekretär Thomas Silberhorn den Gast von der Insel. Zu Recht mahne Cameron an, dass die EU flexibler werden müsse, um den Interessen der Mitgliedsstaaten gerecht zu werden und Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten. Besonders gefällt den CSU-Abgeordneten, dass Cameron nicht nur die starken und tiefen Deutsch-britischen Beziehungen hervorhebt, sondern auch die engen Bindungen der "Mitte-Rechts"-Parteien.

"Center-Right". Dreimal sagt es Cameron hinter verschlossenen Türen, und das genießen die konservativen Christdemokraten, deren Selbstbild in Schieflage ist, seit eine Bevölkerungsmehrheit die Schwesterpartei CDU als "links der Mitte" einordnet. Peter Ramsauer lobt diese "bemerkenswerte Standortbestimmung" und bekommt dafür lebhaften Applaus der Kollegen.

Und er fragt seinen Studienfreund Cameron nach der britischen Energiepolitik. Als Antwort bekommt er eine Klarheit, die wie Balsam auf etliche CSU-Politiker wirkt, die sich längst nicht mehr trauen, zu früheren Überzeugungen zu stehen. "Die einzige grüne und grundlastfähige Energie ist die Kernkraft", sagt der Premier und unterstreicht, dass Deutsche und Briten hier völlig über Kreuz lägen. Sehr viel souveräner sei Cameron geworden, seit er vor neun Jahren schon einmal in Kreuth war, sagt Ramsauer. "Aber immer noch der alte Kumpel."

Vor dem Gespräch mit den Abgeordneten hat sich der Premier in Kreuth am Vorabend mit der Kanzlerin zusammengesetzt und den Stand der Reform-Verhandlungen als Grundlage für den Briten-Verbleib erörtert. Er erwähnt die Unterredung mit dankbarem Unterton — und mit der Gewissheit, dass die Auseinandersetzungen in der EU zwar noch "hart" würden, aber derart mit gutem Willen geführt würden, dass sie zu einem guten Ende kämen.

Am Vorabend hat Seehofer Merkel trotz aller Differenzen zugesichert: "Wir wollen die Probleme mit Dir lösen!" Am nächsten Morgen neigen die Christsozialen eher dazu, die Probleme wie Cameron lösen zu wollen. Allergrößte Rückendeckung gibt es aus Kreuth daher für seinen Plan, den Briten den Verbleib in der EU nach Erfüllung seiner Bedingungen zu empfehlen, weil seine Landsleute dann "das Beste aus zwei Welten" hätten: Die Partnerschaft bei Handel und Sicherheit innerhalb der EU und die Eigenständigkeit außerhalb des Euro- und des Schengen-Raumes.

Die Briten wollten die eigene Grenzkontrolle nicht aus der Hand geben. Auch das ist für Seehofer ein Stück Vorbild. Von Kreuth aus wiederholt er sein Angebot, den Grenzschutz durch die allein zuständige Bundespolizei mit bayerischen Landespolizisten zu unterstützen.

(may-)
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