Die AfD und die Europawahl Der Ärger der deutschen Euro-Kritiker über die glückliche Heimat

Berlin · Populisten haben in vielen europäischen Ländern vor der Europawahl Konjunktur. In Deutschland versucht die Alternative für Deutschland (AfD) auf den Zug der Euro-Skeptiker aufzuspringen. Doch im Wahlkampf beklagt sie vor allem massive Angriffe, wie auch auf einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin deutlich wurde. Eine Beobachtung.

Zehn Fakten und Hintergründe zur AfD
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Zehn Fakten zur AfD

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Foto: dpa, Bernd von Jutrczenka

Wenige Minuten vor Beginn der Pressekonferenz kümmert sich Hans-Olaf Henkel persönlich um die Gäste von den Medien. Er bestellt noch Kaffeetassen nach und lässt sich dann geduldig vor der braunen Wand auf dem Podium fotografieren. Um 9.58 Uhr gibt es das einstudierte Siegerlächeln des einstigen Industriepräsidenten und heutigen AfD-Promis zu sehen. Bernd Lucke, der Parteichef, stellt sich schnell dazu. Das Blitzlichtgewitter scheint den beiden Wahlkämpfern gut zu tun, es gab so viel Ärger in letzter Zeit.

Um Punkt 10 Uhr geht es los — chaotisch ist der Auftritt der Alternative für Deutschland nicht. Im Gegenteil. Er soll glatt sein, nicht noch mehr Reibungspunkte bieten. Am Ende wird die Strategie jedoch nicht aufgehen. Die Parteiführung gibt sich selbstbewusst dieser Tage, siegessicher. Neueste Umfragen gehen bei der Europawahl am 25. Mai von etwa sechs Prozent für die Euro-Kritiker aus — damit kann die AfD mit einigen Sitzen im künftigen Europaparlament rechnen. Aber wird das ihr Durchbruch?

Detaillierte Kritik am Rettungsschirm ESM

Bei der vergangenen Bundestagswahl ist die AfD knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert, bekam dank massiven Zulaufs aus dem konservativen und liberalen Lager aber einen beachtlichen Anteil von immerhin 4,7 Prozent der Stimmen. Seitdem musste sie jedoch eines lernen: So unzufrieden sind die Deutschen leider nicht mit dem Euro — ihrem Lieblingsthema. Der sei zu schwer für die kriselnden Länder im Süden Europas, erdrücke sie, sorge für eine völlig ungerechtfertigte Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Das wiederholt Bernd Lucke mittlerweile wie ein Mantra. Das Thema selbst ist aber auch zu schwer, um flotte Veranstaltungen auf Marktplätzen abhalten zu können.

Luckes detaillierte Kritik am Rettungsschirm ESM wirkt dort auf viele Zuhörer in etwa so leicht verdaulich wie die Kartoffelpuffer vom nächsten Stand. Also müssen andere Themen her: Zuwanderung, Homo-Ehe, Kriminalität — das geht besser. Bei der Pressekonferenz in Berlin bleiben diese Themen trotzdem weitgehend verpackt im 24-Seiten-Wahlprogramm. Viel mehr Zeit räumt die Parteispitze ihrer Beschwerde über massive Anfeindungen bei ihren Wahlkampfauftritten ein.

Faustschläge und Spuckattacken

Bernd Lucke spricht von Faustschlägen, Spuckattacken und freiwilligen Helfern in Bochum, die sich nicht mehr an den AfD-Stand trauten. Plakate seien "flächendeckend in Deutschland zerstört worden". Bis zu 40 Prozent der Wahlplakate seien nicht mehr zu gebrauchen, geschätzter Schaden: rund 360.000 Euro. Der Bundespräsident, der Bundesinnenminister, ja sogar die anderen politischen Wettbewerber sollten sich nun schützend vor die AfD stellen, um den linken Demonstranten Einhalt zu bieten. Aber mit diesen Forderungen gibt die Partei am Ende eben doch nicht das glatte Bild ab, das sie gerne am heutigen Mittwoch in Berlin erzeugt hätte.

Es bleibt ein Nachgeschmack von Krawall, von Randpartei, die sich mit Händen und Füßen gegen verbale Anfeindungen der etablierten Parteien wehren muss. Gleichzeitig hat sie aber das eigene Lager nicht unter Kontrolle. Was etwa die Junge Alternative, nach eigenen Angaben die Jugendorganisation der AfD, im Internet auf Facebook treibt, macht auch dem Parteivorsitzenden Lucke Sorgen. Bildchen mit Schriftzügen wie "Selbstjustiz ist die neue Polizei" helfen nicht. "Manche Äußerungen der Jungen Alternative sind nicht gerade ein Ausfluss politischer Reife", sagt Lucke und sagt: Politische Arbeit geht über Frechheiten und Provokationen hinaus. Ob derlei Strömungen aus der Partei verschwinden, wenn sie erstmal im Europaparlament sitzt, erscheint jedoch fraglich.

(jd)
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