Generalbundesanwalt Harald Range Der Neonazi-Jäger

Berlin/Düsseldorf · Die Amtszeit von Generalbundesanwalt Harald Range wird seit dem ersten von nun 100 Tagen von der Herausforderung geprägt, Licht in die Abgründe des Rechtsterrorismus zu bringen. Mit Erkenntnissen wie denen über den in Düsseldorf gefassten Helfer hat er sich schnell Respekt verschafft.

Deutschland gedenkt der Neonazi-Opfer
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Die Erkenntnisse über die Rolle des in Düsseldorf festgenommenen Neonazi-Helfers Carsten S. als Käufer der Waffe für die Serie von neun Morden an Migranten und einer Polizistin waren bahnbrechend. Und sie haben den Generalbundesanwalt einmal mehr in den Mittelpunkt gerückt.

Den intensiven Ermittlungen von Harald Range und seiner Mitarbeiter verdanken die Strafverfolger, dass sich Puzzlestein für Puzzlestein das verbrecherische Vorgehen der abgetauchten Rechtsextremisten allmählich als Gesamtbild präsentiert, nachdem die Behörden ein Jahrzehnt lang weder Zusammenhänge noch Hintergründe erkannt hatten. Der 64-jährige Range ist damit zu Deutschlands wichtigstem und derzeit auch erfolgreichstem Neonazi-Jäger geworden.

Dabei war Range zunächst gar nicht vorgesehen. Er verdankt seine Ernennung indirekt einem Personalvorschlag von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der sich als kapitaler Fehlgriff entpuppte: Ihr Kandidat Johannes Schmalzl war bei den Länderjustizministern nicht gut eingeführt worden.

Die mokierten sich deshalb darüber, dass der FDP-Mann als Regierungspräsident von Stuttgart kaum staatsanwaltschaftliche Erfahrungen habe. Und als der sich in wütendem Ton mit seinen Kritikern auseinandersetzte, schoss er sich gleichsam selbst aus dem Rennen.

In solchen Situationen ist es immer gut, wenn einer jemanden kennt, der jemanden kennt. Und Range war bekannt als das genaue Gegenteil dessen, was man Schmalzl vorhielt — grundsolide, mit sattem Erfahrungshintergrund, davon mehr als ein Jahrzehnt als Generalstaatsanwalt in Celle und ganz nebenbei auch noch mit dem richtigen Parteibuch ausgestattet: Die FDP war dieses Mal dran mit dem Vorschlagsrecht. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) jedenfalls fragte Range, ob er ihn mal ins Gespräch bringen solle. Er sollte. Und Range wurde es.

Mit damals 63 noch mal ein paar Stufen auf der Karriereleiter nach oben zu springen — meist ist das mit dem Vorurteil von der "Übergangslösung" verbunden. Also Range für ein, zwei Jährchen dort "parken", und dann kurz vor der Bundestagswahl noch mal neu würfeln? Nicht mit ihm! Er habe ohnehin nicht mit 65 in den Ruhestand treten, sondern auch schon als Generalstaatsanwalt noch drei Jahre dranhängen wollen. Und das gilt nun erst recht. Ein halbes Jahrzehnt Generalbundesanwalt Range hat also gerade begonnen.

Die Herausforderung ist gewaltig. Und sie ruft geradezu nach einem, der Gelassenheit und Übersicht aus seiner Erfahrung schöpft und zugleich gefordert ist, in neuer Position die Sicherheitsarchitektur Deutschlands zu erneuern. Denn von der ersten Sekunde im Amt an hat es Range mit Bergen von Vorgängen zu tun gehabt, die krasse Versäumnisse, eklatante Ermittlungsmängel und verhängnisvolle Kommunikationslücken mit drei Buchstaben verbanden: N, S, U.

Das Erschrecken über die unentdeckten Neonazi-Serienkiller und ihre Terrororganisation "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" lag noch keine zwei Wochen zurück, als Range am 17. November in Karlsruhe mit hohen Erwartungen in sein Amt eingeführt wurde. Einarbeitungszeit brauche er nicht, erklärte Range. Er wurde bereits auf dem Laufenden gehalten, als am 4. November das Wohnmobil mit den beiden Hauptverdächtigen und ihre Zwickauer Wohnung in Flammen aufgingen.

Zehn Staatsanwälte hat er allein in seiner Behörde auf den Rechtsterrorismus angesetzt. Sie arbeiten mit über 400 dafür abgestellten Fahndern im Bundeskriminalamt zusammen, die Tausende von Unterlagen und Millionen von Daten in sichergestellten Rechnern auswerten. Der Kreis der Helfershelfer ist inzwischen auf 13 Beschuldigte angewachsen. Nicht ausgeschlossen ist, dass noch eine zweistellige Zahl Verdächtiger dazukommt.

Im Düsseldorfer Landeskriminalamt heißt es mit Blick auf die Anerkennung für den Generalbundesanwalt, es sei "übertrieben, einen Einzelnen ins Licht zu stellen". Es steckten große Anstrengungen aller Ermittlungsbehörden dahinter. "Letztlich war entscheidend, dass wir den roten Faden in die Hand bekommen haben", sagt Wilfried Albishausen, der Chef des Bundes der Kriminalbeamten in NRW.

Nach jahrelangen Ermittlungen in den einzelnen Mordfällen habe sich erst nach dem Freitod der NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos und dem Wohnungsbrand in Zwickau eine heiße Spur ergeben. "Damit kam das Uhrwerk ans Laufen", sagte Albishausen.

Wie bei einem gewöhnlichen Mordfall hätten dann die personenbezogenen Ermittlungen verborgene Zusammenhänge offengelegt. "Je mehr Personal im Einsatz ist, umso größer ist die Trefferquote", sagt der Experte. "Hätten sich die Nazis nicht umgebracht, würden wir womöglich heute noch einem Phantom hinterherjagen."

Der Anwalt des Terrorhelfers Carsten C., Jacob Hösl, erklärte, sein Mandant habe bereits bei einer Vernehmung am 1. Februar gestanden, dem Terror-Trio eine Feuerwaffe mit Schalldämpfer geliefert zu haben. Dass es sich dabei um die Tatwaffe, eine tschechische Ceska 83 (Kaliber 7,65 Millimeter) handelte, sei erst im Rahmen der späteren Ermittlungen festgestellt worden. Die Täter hatten 26 Mal damit geschossen.

(RP/csr)
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