Synode der Evangelischen Kirche Der politische Protestant

Düsseldorf (RP). Morgen beginnt die Synode der Evangelischen Kirche in Ulm. Der Ratsvorsitzende Wolfgang Huber tritt nicht mehr an – Abschied eines brillanten Intellektuellen, der das protestantische Profil tief geprägt hat.

 EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber legt sein Amt aus Altersgründen nieder.

EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber legt sein Amt aus Altersgründen nieder.

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Düsseldorf (RP). Morgen beginnt die Synode der Evangelischen Kirche in Ulm. Der Ratsvorsitzende Wolfgang Huber tritt nicht mehr an — Abschied eines brillanten Intellektuellen, der das protestantische Profil tief geprägt hat.

Kaum vorstellbar, dass Wolfgang Huber demnächst tatsächlich mehr Blockflöte spielt. Er freue sich, wenn er für sein Hobby wieder mehr Zeit habe, sagte der scheidende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) jüngst. Und fügte sofort hinzu: "Aber das wird kein Schwerpunkt sein." Ein Ruheständler Wolfgang Huber, der sich genügsam ins Privatissimum zurückzieht — das ist undenkbar, trotz des bevorstehenden Einschnitts.

Rücktritt aus Altersgründen

Denn Huber, 67 Jahre alt, gibt sowohl den EKD-Ratsvorsitz als auch sein Bischofsamt in Berlin-Brandenburg aus Altersgründen ab. Mitte November wird Markus Dröge als neuer Landesbischof ins Amt eingeführt. Zuvor aber wird die Synode der EKD in Ulm einen neuen Ratsvorsitzenden wählen. Morgen beginnt die Tagung des evangelischen Kirchenparlaments, am Mittwoch wird der — oder die — neue Ratsvorsitzende gewählt. Favoritin ist Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann.

Der deutsche Protestantismus ist in den sechs Jahren von Hubers Amtszeit politischer geworden. "Mit Wolfgang Huber ist die evangelische Kirche stärker in der Öffentlichkeit präsent gewesen. Das ist sehr gut", sagt SPD-Kirchenexpertin Kerstin Griese unserer Zeitung. Die scheidende Ratinger Bundestagsabgeordnete ist Mitglied der Ulmer Synode. Huber habe etwa in den Debatten um die Sonntagsöffnung von Geschäften und um den Religionsunterricht klar Position bezogen, sagt Griese. Und als Mitglied des Nationalen Ethikrats habe er entscheidenden Einfluss auf die Diskussion um die Stammzellforschung genommen.

Protestantismus ist politischer geworden

Huber habe es "in einer brillanten Weise verstanden zu argumentieren", lobt der Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber. Immer wieder, wenn von Huber die Rede ist, fällt dieses Wort: Brillanz. Hubers intellektuelle Ausstrahlung ist überwältigend. Wer ihn als Rhetor erlebt hat, im Gottesdienst, auf Kirchentagen oder bei einem Symposion, geht tief beeindruckt nach Hause. Huber formuliert aus dem Stegreif druckfähige Sätze, analysiert so spontan wie tiefgehend, ist schlagfertig, hat Lust an der Auseinandersetzung. Heute wird man ohne Übertreibung sagen dürfen: Das Profil des deutschen Protestantismus im 21. Jahrhundert ist weitgehend das Profil Wolfgang Hubers.

Wer brillant ist, der gilt freilich auch schnell als kühler, allzu ehrgeiziger Techniker. Auch Huber hat diese Erfahrung machen müssen. 1997 bewarb er sich als Favorit um den EKD-Ratsvorsitz, war aber der traditionell unberechenbaren Synode suspekt und scheiterte überraschend am Rheinländer Manfred Kock. Dass Huber nicht ausschließlich kühler Rationalist ist, zeigte sich direkt im Anschluss: Der Unterlegene vergoss Tränen. Als er 2003 erneut antrat, da tat er das in tiefer Demut — also in urchristlicher Haltung, und mit Erfolg.

Huber wird respektiert — aber nicht heiß geliebt

Huber wird respektiert und hoch geschätzt. Heiß und innig geliebt wird er nicht. Dass der stellvertretende Präses der Synode, Bayerns Ex-Regierungschef Günther Beckstein, Huber im Mai mit einem "evangelischen Papst" verglich (was vielen Protestanten sauer aufgestoßen ist), war das vielleicht doch mehr als eine unbedachte Sottise: Wenn Huber sich geäußert habe, sei ein Thema eben durch, lautet die Kritik.

Als die EKD 2006 die Handreichung "Klarheit und gute Nachbarschaft" zum Umgang mit dem Islam in Deutschland herausgab, wurde Huber vorgeworfen, er schüre Angst vor muslimischer Unterwanderung. Das wollte er sicher nicht — aber der Grat zwischen intellektueller Klarheit und verletzender Schärfe ist, gerade in der Theologie, schmal.

"Kirche der Freiheit" heißt Hubers kirchenpolitisches Vermächtnis: Die EKD steckt in einer tiefgreifenden Reform, weil die Gemeinden schrumpfen und die Kirchensteuereinnahmen absacken. "Kirche der Freiheit" — das war 2006 der Titel des Impulspapiers — bedeutet Profilierung der Gemeinden, stärkere Projektorientierung, um die Menschen zurückzugewinnen. Das sei die größte Herausforderung der vergangenen sechs Jahre gewesen, bilanziert Huber.

Dass einer wie er der kirchlichen und gesellschaftlichen Debatte in Deutschland guttut, scheint auch Wolfgang Huber zu wissen. Er werde auch "weiter am Zeitgespräch teilnehmen", hat er schon angekündigt. Sicher hochpolitisch, wäre hinzuzufügen, und nicht mit der Blockflöte.

Zwei Frauen an EKD-Spitze?

Sollte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) tatsächlich Hannovers Bischöfin Margot Käßmann zur Ratsvorsitzenden wählen, wären erstmals beide Spitzenämter der EKD mit Frauen besetzt. Denn seit Mai, als die aktuelle Synode erstmals zusammentrat, ist die Grüne Katrin Göring-Eckardt Präses, also Vorsitzende, des Kirchenparlaments.

126 Mitglieder hat die EKD-Synode. Für eine Amtszeit von sechs Jahren werden 106 von ihnen durch die Synoden der 22 Landeskirchen gewählt. Die restlichen 20 bestimmt der Rat (die "Regierung") der EKD. Das sind meist Protestanten, die sich im öffentlichen Leben besonders profiliert haben.

14 Ratsmitglieder werden von der Synode und der Kirchenkonferenz (der "Länderkammer") gewählt. Der oder die Präses der Synode ist qua Amt das 15. Mitglied. Für die 14 Plätze gibt es 22 Kandidaten — auf der Liste stehen Laien ebenso wie Theologen. Aus den Ratsmitgliedern wählt die Synode dann einen Vorsitzenden. Theoretisch könnte also auch ein Nicht-Theologe Ratsvorsitzender werden. Das ist aber in der Geschichte der EKD noch nie vorgekommen.

(RP)
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