Gastbeitrag Der Umgang mit Harald Range war populistisch

Meinung | Düsseldorf · Der Verfassungsrechtler Julian Krüper nimmt in diesem Gastbeitrag den Ex-Generalbundesanwalt Harald Range in Schutz: Mit den Ermittlungen habe er seine Pflicht getan, sagt der Professor.

 Julian Krüper (40) ist Professor für Öffentliches Recht an der Ruhr-Uni Bochum.

Julian Krüper (40) ist Professor für Öffentliches Recht an der Ruhr-Uni Bochum.

Foto: RUB

Es ist Sommer. Die Sau ist los. Und eine maßlos erschütterte Öffentlichkeit aus Politik, Medien und Blogosphäre treibt sie munter durchs Dorf. Die Verteidiger des Rechtsstaats klopfen sich auf die Brust, rufen "Skandal, Skandal!" und "Rücktritt, Rücktritt!". Tatsächlich wird der Generalbundesanwalt vom Justizminister in den Ruhestand versetzt. Warum?

Angefangen hat alles damit, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Anzeige gegen Unbekannt erstattete, weil der Blog Netzpolitik.org Organisations- und Stellenpläne des Verfassungsschutzes veröffentlicht hatte. Zugegeben, nett war die Veröffentlichung nicht, denn es konnte der Eindruck entstehen, dass der Verfassungsschutz nicht völlig auf der Höhe war, was die Bekämpfung von Cyberkriminalität und internetgestützte Spionageabwehr betrifft. Ob die Unterlagen auch strafrechtlich ein Staatsgeheimnis darstellen, darüber wird man streiten können. Es kommt aber darauf auch nicht mehr an.

Denn ein vom Generalbundesanwalt in Auftrag gegebenes Gutachten, das sich diesen Fragen widmen sollte, wurde auf Druck des Bundesjustizministers wieder abbestellt. Die öffentliche Meinung hatte sich ihr Urteil ohnehin längst gebildet: Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit sei das Verfahren.

Was bleibt, ist die Entlassung eines Generalbundesanwalts, dessen Krisenkommunikation sicher nicht optimal war, der auf die Strafanzeige des Präsidenten einer Verfassungsschutzbehörde Ermittlungen anstrengte. Das ist die Aufgabe, die ihm das Gesetz anvertraut. Dass eine solche Strafanzeige als zu dünn, zu heiß oder zu "unverhältnismäßig" vom Tisch gewischt würde, wie mancher es sich offenbar wünschte, war kaum denkbar. Eine so nonchalante Generalbundesanwaltschaft kann sich auch niemand erhoffen, schon gar nicht Freunde des Rechtsstaats. Denn dafür sind Ermittlungen da: herauszufinden, ob ein Vorwurf berechtigt ist.

Berlin: Breite Unterstützung für "Netzpolitik.org"
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Offenbar bekam man beim Generalbundesanwalt bald Zweifel, wie überzeugend Anzeige und Gutachten des Verfassungsschutzes waren. Und was tut man als Behörde, die zu Neutralität verpflichtet ist, andererseits aber eingebunden in ein Geflecht politischer Rücksichtnahmen? Man verschafft sich Beinfreiheit und fordert ein Gegengutachten an. Die Geduld, dieses Gutachten und die Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens abzuwarten, vielleicht auch der Glaube an ein unabhängiges Urteil der Generalbundesanwaltschaft, all das aber fehlte der Politik- und Medienöffentlichkeit.

Rechtsstaat ist schön, macht aber Arbeit. Er ist umständlich und entzieht sich einer kurzatmigen Skandalisierungslogik. Dessen ungeachtet marschierte der Justizminister mit Vorwürfen an den Generalbundesanwalt vorneweg und stellte ein eigenes Gutachten in Aussicht, dessen Ergebnis schon feststand. Kanzlerin, Minister und Rechtspolitiker aller Couleur stimmten in das "Steiniget ihn" ein. Und das ist das eigentlich Beunruhigende: dass der Legitimität und Rationalität staatlicher Verfahren aus schierem Populismus selbst von denen abgeschworen wurde, die es besser wissen sollten.

Was will man da vom Stammtisch noch erwarten?

(RP)
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