Nach Missbrauchsskandalen Der umstrittene Zölibat

Rom (RP). Nicht erst seit den Fällen sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester wird über Ehelosigkeit der Geistlichen diskutiert. Angeblich soll auch der Vatikan über eine Reform dieser Askese nachdenken.

Wie entdeckt man, ob ein Kind missbraucht wird?
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Foto: AP

Wenn über den sexuellen Missbrauch von Priestern an Minderjährigen gesprochen wird — und es ist dieser Tage notwendigerweise sehr oft der Fall —, wird schnell auch der Zölibat zum Thema. Erneut steht also die Ehelosigkeit der katholischen Priester sowohl im Blickfeld von Kritikern, die in der Triebunterdrückung zumindest einen Risikofaktor für das sexuelle Fehlverhalten sehen, als auch von jenen, die in dieser Form der Askese eine Energiequelle erkennen, die Nachfolge des Geistlichen in der Ehelosigkeit Jesu Christi und letztlich auch ein wichtiges Profil der katholischen Kirche: Der Zölibat ist für nicht wenige der "magnus consensus", das Zeugnis einer Berufung, eine "Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen" (Lukas 18, 29).

Das Leben ohne Frau (caelibatus = Ehelosigkeit) ist nicht mit Jesus auf die Welt gekommen. Diese Lebensform ist ein Kind der Theologen. Auf der Grundlage einiger Bibelstellen finden sich seit dem 4. Jahrhundert erste rechtliche Bestimmungen. Doch an der nötigen Disziplin mangelte es noch lange. Erst mit dem zweiten Laterankonzil 1139 wurde die heilige Weihe zum Ehehindernis; wobei die Zölibatsverpflichtung auch der sehr weltlichen Sorge entsprang, dass Kirchengut durch Vererbung in der Familie "entfremdet" wurde.

Stoff für innerkirchlichen Streit

Die Ehelosigkeit ist kein Dogma, sondern eine biblisch hergeleitete Standespflicht für katholische Geistliche und auch aus diesem Grund immer wieder Stoff für innerkirchliche Diskurse.

Über ein Ende des Zölibats denken aber nicht nur Kirchenkritiker wie Hans Küng oder Eugen Drewermann vernehmlich nach. Vor zwei Jahren merkte der damals neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, dezent an, dass es keine Denkverbote geben dürfe und der Zölibat "theologisch nicht notwendig" sei. Bei der darauf einsetzenden Debatte nutzte selbst die Kollegialität unter Bischöfen nicht viel.

Die Beiträge waren Zeichen dafür, dass allein mit einer Diskussion eine ganze Lebensform gefährlich in Frage gestellt wird. Die katholische Kirche ohne Pflichtzölibat — darin sind sich Kritiker wie Befürworter einig — wäre eine grundlegend andere Kirche. Geheim sollen darum auch Pläne des Vatikans sein, zumindest über die Abschaffung des Zölibats verstärkt nachzudenken, so die römische Tageszeitung "La Repubblica". Realisierung: in den nächsten 50 Jahren.

Dabei existieren schon heute Mischformen, wie bei den "viri probati" — den bewährten Männern. Das sind Ausnahmeregeln für verheiratete Geistliche anderer christlicher Kirchen, die zur römischen Glaubensgemeinschaft übertreten. Die Zölibats-Diskussion werten manche als Zeichen der Krise, andere loben, dass endlich ein verborgenes Problem öffentlich wird.

Denn sexuelle Enthaltsamkeit war immer schon schwierig für Geistliche, wie es diverse Vereine belegen, die seit Jahren Frauen und Kinder katholischer Priester hierzulande unterstützen. Die Debatte hat einen anderen Zungenschlag. Sie macht den Zölibat mitverantwortlich für eine Straftat, was er nach Meinung vieler Experten nicht ist. Es muss andere Ursachen geben, bedenkt man, dass sich über 90 Prozent aller Missbrauchsfälle in Familien ereignen.

(RP)
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