Türkischer Ministerpräsident Deutsche Politiker gegen geplanten Erdogan-Auftritt in Köln

Köln · Nach dem Grubenunglück in Soma haben sich deutsche Politiker parteiübergreifend gegen einen geplanten Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln ausgesprochen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland hält indes nichts davon, Erdogan von seinem Auftritt am kommenden Samstag abzubringen. "Ausladen" sei "keine Haltung".

Erdogan im ISS-Dome in Düsseldorf
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Politiker von CDU/CSU, SPD und Grünen warfen Erdogan vor, ungeachtet der Katastrophe in der Türkei mit mehr als 300 Toten Wahlkampf in Deutschland betreiben zu wollen. Erdogan will am kommenden Samstag in der Lanxess-Arena sprechen. Das Verhalten seiner Regierung nach dem Grubenunglück war in die Kritik geraten.

Vor dem Hintergrund der Katastrophe in Soma sei "dieser Auftritt in Deutschland das völlig falsche Signal", sagte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), der "Bild"-Zeitung. "Herr Erdogan sollte auf seinen Auftritt in Köln verzichten." Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Strobl, kritisierte: "Es ist nicht in Ordnung, dass Erdogan in Deutschland Wahlkampf macht."

Erdogan-Berater trat auf Demonstranten ein

Recep Tayyip Erdogans Berater Yusuf Yerkel tritt Demonstranten
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Erdogans Berater Yerkel tritt Demonstranten

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Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte, mit seiner Reaktion auf das Grubenunglück in der Türkei verwandele Erdogan die tiefe Trauer vieler Türken in Wut. Der Regierungschef könne jetzt nicht einfach Wahlkampf machen.

Für Kritik hatte nach dem Grubenunglück unter anderem das harte Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten in Soma gesorgt. Empörung rief auch ein Erdogan-Berater hervor, der in Soma auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat. Erdogans Verhalten beim Besuch im Katastrophengebiet wurde als taktlos kritisiert.

"Erdogan verhöhnt die Angehörigen der Opfer"
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Foto: RPO

Erdogans Partei AKP hat betont, der Auftritt in Köln sei keine Wahlkampfveranstaltung, sondern würdige das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Erdogan türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Präsidentenwahl am 10. August dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner teilte mit, am klügsten wäre es, wenn Erdogan nicht käme. "Internetsperren, mangelnde Meinungsfreiheit, Korruption, fehlendes Mitgefühl mit den Angehörigen des Grubenunglücks - Erdogan war wohl noch nie so weit entfernt von den Werten der EU wie zur Zeit."

"Nicht hinnehmbar"

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte in "Spiegel Online": "Erdogan darf seine Wahlkampfschlachten nicht nach Deutschland verlagern." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die Bilder aus der Türkei vom Vorgehen gegen Demonstranten seien "absolut erschütternd und nicht hinnehmbar".

Der SPD-Außenpolitiker Dietmar Nietan sagte der "FAS", die große Koalition solle das Verhalten Erdogans nach dem Unglück zum Anlass nehmen, um "unsere Strategie gegenüber der Türkei zu überdenken." Deutschland müsse die Kräfte stärken, die sich in der Türkei für Demokratie und eine starke Zivilgesellschaft einsetzten.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland hält nichts davon, Erdogan von seinem Auftritt in Köln abzubringen. "Ausladen ist keine Haltung", sagte der Co-Vorsitzende Gökay Sofuoglu den "Stuttgarter Nachrichten". Wichtig sei aber, dass Erdogan nicht polarisiere und Stimmung gegen Europa schüre: "Dies würde sonst auch den Rechtsradikalen in Europa Auftrieb geben."

Erdogan hatte Ende vergangenen Monats empört auf Kritik von Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Türkei-Besuch reagiert. Gauck hatte Demokratiedefizite in der Türkei beklagt. Erdogan warf dem Bundespräsidenten daraufhin Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes vor.

(lnw)
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