Mehrheit: Politik bei Chancengleichheit gefordert Deutsche sehen zunehmende Ungerechtigkeit

Berlin · Gleiche Bildungschancen für Kinder, Vereinbarung von Familie und Beruf – das sind nur zwei Beispiele, mit denen die Politik in Sachen sozialer Gerechtigkeit punkten will. Doch die Bürger selbst sehen hierzulande eine wachsende Gerechtigkeitslücke. Und sie sehen vor allem die Politik gefordert, etwas zu ändern – insbesondere beim Thema Chancengleichheit.

Gleiche Bildungschancen für Kinder, Vereinbarung von Familie und Beruf — das sind nur zwei Beispiele, mit denen die Politik in Sachen sozialer Gerechtigkeit punkten will. Doch die Bürger selbst sehen hierzulande eine wachsende Gerechtigkeitslücke. Und sie sehen vor allem die Politik gefordert, etwas zu ändern — insbesondere beim Thema Chancengleichheit.

Erst im November 2012 hatte das Allensbach-Institut eine Studie vorgelegt, nach die Mehrheit der Jugendlichen aus armen Verhältnissen nicht glaubt, dass ihnen der soziale Aufstieg gelingt. Und vor wenigen Wochen hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Untersuchung festgestellt, dass das Elternhaus nach wie vor einen Einfluss auf die Karrierechancen der Kinder hat.

Dabei versucht die Politik seit Jahren, mit verschiedensten Maßnahmen, die Chancengerechtigkeit in der Bundesrepublik zu erhöhen. Da werden die Kita-Plätze ausgebaut, vielerorts Ganztagsschulen eingerichtet, über Mindestlöhne debattiert. Doch die reale Situation wird von vielen Deutschen anders empfunden, wie das Allensbach-Institut nun in einer Studie feststellte.

Chancengleichheit wichtiger als Verteilungsgleichheit

Zentrales Ergebnis der Untersuchung "Was ist gerecht?" im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist denn auch, dass für die Deutschen im Mittelpunkt einer gerechten Gesellschaft die Chancengerechtigkeit steht. "Für 90 Prozent der Befragten ist das Ziel, allen Kindern gleiche Bildungschancen zu geben, ausschlaggebend für soziale Gerechtigkeit", sagt INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Dies sei den Interviewten viel wichtiger als etwa die Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Auf Platz 2 und 3 stehen für die Befragten die Familiengerechtigkeit und die Leistungsgerechtigkeit, die Verteilungsgerechtigkeit ist dagegen auf dem letzten Rang zu finden. Allerdings sagen auch 80 Prozent, dass diejenigen, die arbeiten gingen, deutlich mehr verdienen bzw. in der Tasche haben sollten als diejenigen, die nur von staatlicher Unterstützung lebten. Dies reiht sich ein in die politische Debatte um Mindestlöhne und dass immer mehr Geringverdiener Hartz IV beantragen müssen, um überhaupt über die Runden zu kommen.

Insgesamt empfinden fast 70 Prozent der Befragten, dass die Gerechtigkeitslücke in Deutschland immer größer wird. Und 65 Prozent sagen, dass die Aufgabe, diese Lücke zu schließen, nicht etwa der Wirtschaft obliege, sondern der Politik. Trotzdem glauben nur 43 Prozent, dass die Soziale Marktwirtschaft überhaupt soziale Gerechtigkeit ermöglichen kann.

Soziale Gerechtigkeit als Wahlkampfthema

Dieses Ergebnis dürfte den Parteien Rückenwind geben, die gerade im Jahr der Bundestagswahl auf das Pferd Soziale Gerechtigkeit setzen. Und das ist letzlich bei allen Parteien der Fall. Egal, ob Union oder SPD — jeder hat so sein eigenes Konzept, wie er den Menschen hierzulande unter die Arme greifen und mehr Gerechtigkeit schaffen will.

Bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder (wie es Schwarz-Gelb derzeit vorantreiben) und Maßnahmen, mit denen Schüler besser auf das Berufsleben vorbereitet werden, kommen da laut der Studie besonders gut an. Das von der CSU innerhalb der Koalition durchgeboxte Betreuungsgeld allerdings halten nur 21 Prozent der Befragten für geeignet, mehr soziale Gerechtigkeit in der Bundesrepublik herzustellen.

Auf das Thema Erhöhung des Spitzensteuersatzes bzw. die Einführung einer Reichensteuer, wie sie insbesondere bei den Sozialdemokraten und bei den Linken debattiert wird, reagieren die Deutschen dagegen gespalten. Laut der Umfrage spricht sich die Hälfte der Befragten für solche Maßnahmen aus — und das naturgemäß umso mehr, je weniger die Bürger selbst davon betroffen wären.

Sich für Chancengleichheit in der Bildung einzusetzen, hat übrigens auch die neue Bildungsministerin Johanna Wanka zu ihrer Aufgabe gemacht. Bei ihrer Ernennung am Donnerstag sagte sie, jedem müssten maximale Möglichkeiten eröffnet werden. Das müsse ein reiches Land wie die Bundesrepublik schaffen.

(das)
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