Tierschützer verurteilen Bundestagsentscheid "Deutsche Tierschutzpolitik ist eine Tiernutzpolitik"

Bonn · Deutsche Tierschutzorganisationen sind entsetzt: Der Bundestag hat am Donnerstag eine Tierschutzreform verabschiedet, die weiterhin die betäubungslose Kastration von Ferkeln erlaubt. Zudem bleibt auch in Zukunft der schmerzhafte Schenkelbrand bei Pferden erlaubt und straflos.

 Der Schenkelbrand bleibt erlaubt.

Der Schenkelbrand bleibt erlaubt.

Foto: dpa, Jörg Carstensen

Nicht nur der Deutsche Tierschutzbund hat das vom Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP beschlossene neue Tierschutzgesetz als unzureichend kritisiert. Schmerzhafte Brandzeichen für Pferde blieben weiterhin erlaubt. Auch die unbetäubte Kastration von Ferkeln werde noch bis 2019 gestattet. Außerdem blieben die Vorschriften zu Tierversuchen hinter den Möglichkeiten zurück.

"Die Regierungsmehrheit ist mit ihrer Tiernutzpolitik und den Zugeständnissen an die Agrarlobby auf direktem Weg zur roten Laterne in der EU-Tierschutzrangliste", erklärte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, am Freitag in Bonn.

Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund hatte schon im Interview mit dem Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass die Agrarlobbyisten es geschafft hätten, die Tierschutzreform derart aufzuweichen, dass dem Schutz der Tiere kaum noch Raum gegeben werde. Insbesondere beim umstrittenen Schenkelbrand sei die Einflussnahme von Lobbyisten besonders deutlich zu erkennen. Hier werde ein Wirtschaftssymbol zu einem Kulturgut aufgewertet, welches fühlenden Wesen Verbrennungen dritten Grades zufüge.

Der Tierschutzbund verwies zudem darauf, dass die Länderkammer zahlreiche Verbesserungen vorgeschlagen hatte, die aber weitgehend unbeachtet geblieben seien. Die Regierungskoalition habe auch die eigene Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ignoriert, erklärte der Tierschutzbund. Eigentlich wollte Aigner den sogenannten Schenkelbrand abschaffen, bei dem Pferde mit glühend heißen Brandeisen markiert werden.

Die nur "halbherzige Umsetzung" von Verboten von Tierversuchen an Menschenaffen und anderen Primaten missachte das im Grundgesetz verankerte Staatsziel Tierschutz, betonte der Tierschutzbund. Mit dem neuen Gesetz werde die Gelegenheit vertan, die Forschung ohne Tierversuche zu stärken.

Tierärzte: Weniger statt mehr Tierschutz

Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) begrüßt zwar den durch die Umsetzung der Tierversuchsrichtlinie deutlich verbesserten Schutz von Versuchstieren, bemängelt aber zugleich die schon genannten Kritikpunkte. "Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf aber inzwischen weitaus weniger statt mehr Tierschutz vor", stellt bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz mit großem Ärger fest. Seiner Meinung nach tritt die CDU/CSU/FDP Koalition der eigenen Ministerin gleich in zwei zentralen Punkten der Tierschutznovelle vors Schienbein: Bei der Ferkelkastration und beim Schenkelbrand.

So bleibt der Schenkelbrand als alternative Kennzeichnung bei Pferden weiterhin erlaubt, obgleich er durch die obligatorische elektronische Kennzeichnung nicht mehr gerechtfertigt ist. Das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration wurde gleich von 2017 auf 2019 verschoben.

Ein Sprecher der Tierschutzorganisation "perspekTIERisch" nannte die Bundestagsentscheidung eine Katstrophe und ein beschämendes Einknicken der Politik vor den Lobbyverbänden der Agrarwirtschaft. In Anbetracht der Konsequenzen der Entscheidung wurde mit einem bitteren Lächeln der indische Staatsmann Mahatma Gandhi zitiert: "Die Größe und den moralischer Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt."

Der Bundestag hatte am Donnerstagabend mit den Stimmen der Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes verabschiedet. Das Gesetz muss noch in den Bundesrat.

(dpa/felt)
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