Generaldebatte im Bundestag Merkel übt scharfe Kritik an der Türkei

Berlin · In der Generaldebatte im Bundestag hat Kanzlerin Merkel zu einem außenpolitischen Rundumschlag angesetzt. Die aggressive Innenpolitik des türkischen Präsidenten Erdogan verurteilte Merkel scharf – ebenso wie die Unterstützung des Assad-Regimes durch Russland.

Kanzlerin Angela Merkel fand deutliche Worte für die Situation in der Türkei.

Kanzlerin Angela Merkel fand deutliche Worte für die Situation in der Türkei.

Foto: rtr, MDJ

In der Generaldebatte im Bundestag hat Kanzlerin Merkel zu einem außenpolitischen Rundumschlag angesetzt. Die aggressive Innenpolitik des türkischen Präsidenten Erdogan verurteilte Merkel scharf — ebenso wie die Unterstützung des Assad-Regimes durch Russland.

Angela Merkel hat deutliche Worte in Richtung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gesprochen — dennoch forderte sie erneut, den Kontakt zur Türkei nicht abzubrechen. Die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung von Abertausenden von Menschen sei nicht zu rechtfertigen, so Merkel in der Generalaussprache des Bundestags über den Haushalt 2017. "Insofern müssen wir das deutlich kritisieren." Zugleich werbe sie aber dafür, weiter mit Erdogans Regierung im Dialog zu bleiben.

Merkel begrüßte in diesem Zusammenhang die jüngste Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Auch ich werde den Gesprächsfaden natürlich aufrecht erhalten mit der Türkei", sagte die Kanzlerin. Deutschland habe ein Interesse daran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise zu kooperieren. "Das schließt aber nicht aus, dass das, was alarmierend zu sehen ist, klar angesprochen wird", sagte Merkel.

Vorwürfe Erdogans, Deutschland beteilige sich nicht ausreichend am Kampf gegen den Terrorismus, wies sie zurück: "Die Bundesregierung ist wie jeder andere in Europa dem Kampf gegen Terrorismus verpflichtet."

Mit Blick auf den Krieg in Syrien kritisierte die Kanzlerin die jüngsten Angriffe des Regimes auf die Stadt Aleppo scharf, bei denen auch Krankenhäuser getroffen wurden. "Das ist verboten und strafrechtlich zu verfolgen". Es sei sehr bedauerlich, dass Russland das Regime von Baschar al-Assad unterstütze.

Mit Blick auf den aufkeimendem Populismus appellierte die Kanzlerin an die Bürger Deutschlands, sich dem vehement entgegenzustellen. Meinungsbildung entstehe inzwischen ganz anders und werde mitunter manipuliert, sagte Merkel. Auch dadurch sei die "Sorge um Stabilität unserer gewohnten Ordnung" entstanden.

Es sei ein völlig anderes mediales Umfeld entstanden. Im Internet, durch die Digitalisierung, kursierten Meinungen und Berichte, die viel weniger durch journalistische Sorgfaltspflicht entstünden und kontrolliert würden als früher. Mitunter gebe es gefälschte Nachrichten und durch Meinungsroboter selbst generierende Meinungsverstärker. Das sei Teil der Realität geworden.

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Plötzlich zeige sich, dass die sicher geglaubte gemeinsame Wertebasis von Freiheit, Demokratie und Recht nicht mehr für selbstverständlich gehalten würde. Die Politik müsse mit dem Phänomen umgehen und dort regulativ eingreifen, wo es nötig sei — wie bei Hassbotschaften im Internet. "Wir müssen lernen, uns damit auseinanderzusetzen", sagte Merkel.

Die Absage des gewählten US-Präsidenten Donald Trump an das geplante Freihandelsabkommen TPP bedauert die Kanzlerin. "Ich bin nicht froh, dass das transpazifische Abkommen jetzt wahrscheinlich nicht Realität wird", sagte Merkel. Zugleich lobte sie das kürzlich ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada als wegweisend.

Sie wisse nicht, wer von dem Schritt Trumps profitieren werde und wolle sich mit Prognosen zurückhalten. "Ich weiß nur eins: Es wird weiter Handelsabkommen geben. Und die werden dann nicht die Standards haben, die dieses Abkommen und auch das angedachte TTIP-Abkommen haben wird." Es gehe um Arbeitsplätze, fairen Wettbewerb und menschliche Gestaltung der Globalisierung.

Auch zielgenauere Hilfen des Bundes für finanzschwache Kommunen seien weiterhin auf der Agenda. Der Bund engagiere sich inzwischen weit über seine Kompetenzen hinaus für Bundesländer und Gemeinden. Als Beispiele nannte Merkel den Hochschulpakt, die Hilfe zur Lehrerausbildung oder das Sieben-Milliarden-Programm des Bundes zur Erneuerung der kommunalen Infrastruktur.

In den Finanzverhandlungen mit den Bundesländern treibe sie aber die Frage um: "Wie können wir eigentlich punktgenau helfen?" Die bisherigen Schlüssel zur Verteilung von Bundeshilfen wie die Aufteilung der Mehrwertsteuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden führten dazu, dass es dabei nicht nach Bedürftigkeit, sondern oft nach Stärke gehe. Das führe dann zu einer wenig punktgenauen Hilfe nach dem Gießkannenprinzip.

In der Koalition wird seit längerem diskutiert, wie der Bund finanzschwachen Gemeinden zielgenauer unter die Arme greifen kann. So spielte Merkel darauf an, dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Verteilung der Eingliederungshilfen für Behinderte in Höhe von fünf Milliarden Euro an die Kommunen kritisiert hat. Wenn Oppermann eine bessere Aufteilungsmethode vorlege, die auch von den Ministerpräsidenten der Länder mitgetragen werde, werde sie sich dem nicht verschließen, sagte Merkel. Sie habe jedoch Zweifel, dass ihm das gelinge. Besser als nichts zu geben sei es daher gewesen, die jetzigen Verteilungsschlüssel anzuwenden.

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Es war die erste Rede der Kanzlerin im Parlament, nachdem sie am Sonntag angekündigt hatte, bei der Bundestagswahl in etwa zehn Monaten wieder als Kanzlerkandidatin anzutreten. Die Generaldebatte ist in den Schlussberatungen über den Etat 2017 Höhepunkt der Haushaltswoche im Bundestag. Traditionell rechnet die Opposition bei diesem Schlagabtausch mit der Politik der Bundesregierung ab.

(mro)
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