Entwicklungshilfe Deutschland erfüllt zum ersten Mal UN-Zielvorgaben

Paris · Dank der Flüchtlingshilfe hat Deutschland erstmals das 1970 formulierte Ziel der Vereinten Nationen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Insgesamt stellten die Bundesrepublik und andere reicher Länder 2016 deutlich mehr Geld für Entwicklungshilfe bereit.

 Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), hier auf einer Konferenz in Marokko im November, hatte etwa im Februar einen ständigen Milliarden-Fonds für afrikanische Länder gefordert.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), hier auf einer Konferenz in Marokko im November, hatte etwa im Februar einen ständigen Milliarden-Fonds für afrikanische Länder gefordert.

Foto: dpa, scg pzi htf

Der Richtwert der Vereinten Nationen existiert schon seit 47 Jahren, jetzt hat Deutschland ihn zum ersten Mal erfüllt. Mit rund 23,3 Milliarden Euro hat Deutschland im vergangenen Jahr 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgegeben - und damit erstmals das 1970 von den UN formulierte Ziel erreicht. Das gab die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag in Paris bekannt.

Wie die OECD weiter mitteilte, gelang das aber nur, weil bestimmte Ausgaben zur Versorgung von Flüchtlingen zur Entwicklungshilfe gezählt werden dürfen. Deutschlands Beitrag von rund 23,3 Milliarden Euro entspricht korrigiert um Inflation und Wechselkursschwankungen einem Plus von 36,1 Prozent im Vergleich zu 2015. Fast die Hälfte dieser Mehrausgaben stammt aus der inländischen Flüchtlingshilfe.

Auch andere reiche Länder zahlten 2016 deutlich mehr Beiträge für Entwicklungshilfe als zuvor. Die bereitgestellten Mittel aller Geberländer stiegen real um 8,9 Prozent auf rund 134,87 Milliarden Euro. Industriestaaten können bestimmte Ausgaben für die Versorgung von Flüchtlingen innerhalb der ersten zwölf Monate nach Ankunft als Entwicklungshilfe verbuchen. Rechnet man das Plus durch die Flüchtlingshilfe heraus, stiegen die Ausgaben Deutschlands um 22,3 Prozent, die aller Geberländer um 7,1 Prozent.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte, Deutschland werde "seiner wachsenden internationalen Verantwortung gerecht", müsse sein Engagement aber weiter ausbauen. Auch ohne Flüchtlinge müsse Deutschland das 0,7-Prozent-Ziel "auf absehbare Zeit erreichen", forderte Müller. Ohne die Anrechnung der Flüchtlingsausgaben im Inland läge die deutsche ODA-Quote bei nur 0,52 Prozent gegenüber 0,43 Prozent im Jahr 2015.

Seit Beginn der Legislaturperiode 2013 ist der Etat des Bundesentwicklungsministeriums um über ein Viertel gewachsen - von 6,3 Milliarden auf 8,5 Milliarden Euro. Die in der OECD erlaubte Anrechnung der Flüchtlingsausgaben auf die ODA-Quote ist aber umstritten.

Es gibt aber auch kritische Stimmen: So bemängelte etwa die Hilfsorganisation Oxfam, dass rund ein Viertel der deutschen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit nicht in die Entwicklung armer Länder fließe. Die Organisation Save the Children sprach von einem "Scheinerfolg", der Verband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (Venro) von "Rechenschwindel". Die deutsche Sektion der US-Lobby- und Kampagnenorganisation ONE nannte es "bedenklich", dass die Zahlungen an die am stärksten von Armut betroffenen Länder um vier Prozent gesunken seien.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Hänsel, erklärte, die notwendigen Ausgaben für Flüchtlinge im Inland hätten mit Armutsbekämpfung im Süden nichts zu tun. "Dass es fast 50 Jahre später noch solcher Rechentricks bedarf und die Regierung gleichzeitig viel mehr Geld für Aufrüstung ausgibt, ist ein Skandal."

(kess/dpa)
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