Erneut scharfe Töne in Hartz-IV-Debatte DGB wirft FDP "Hetze" vor

Berlin (RPO). In der "Hartz IV"-Debatte sieht sich die FDP nun auch heftigen Attacken des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ausgesetzt. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach am Sonntag von "Hetze" durch neoliberale Politiker.

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Foto: AP

Buntenbach kritisierte: "Die FDP versucht, Stimmung gegen 'Hartz IV'-Bezieher zu machen, um das Grundsicherungsniveau zu drücken und ihre unfinanzierbaren Steuersenkungspläne im Spiel zu halten." Die Gründe der Probleme des boomenden Niedriglohnsektors sollten so "kaschiert" werden.

Das DGB-Vorstandsmitglied verwies darauf, dass viele Arbeitnehmer "kaum von ihrer Arbeit leben können, weil die Löhne zu niedrig sind, ihnen nur Teilzeitarbeit angeboten wird oder weil sie als Leiharbeiter beschäftigt sind". Er fügte hinzu: "Sie werden als Deppen der Nation diffamiert, weil die Hartz-IV-Leistungen je nach Familienkonstellation in der Nähe ihres Einkommensniveaus liegen können - und zwar deshalb, weil die Löhne so niedrig sind."

CSU-Chef Horst Seehofer sagte mit Blick auf den Wirbel um die "Hartz IV"-Vorstöße von FDP-Chef Guido Westerwelle: "Ich glaube, die Bürger haben jetzt genug von diesen Allgemeindebatten. Sie wollen, dass die Bundesregierung konkret und schnell handelt." Er könne nur allen Berliner Koalitionspartnern empfehlen, jetzt entsprechend vorzugehen. Der CSU-Chef warnte: "Alles andere ist eine Belastung für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen."

Prälat Jüsten: Taktische statt sachliche Debatte

Auch der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, kritisierte den sozialpolitischen Kurs der FDP. Das Plädoyer, den Sozialstaat deutlich zu reduzieren, scheine eher "taktisch und ideologisch bestimmt als sachlich begründet zu sein", sagte Jüsten am Wochenende in Berlin. Mancher, der sich an der Debatte beteilige, habe wohl "keine Ahnung davon, was es heißt, in unsicheren wirtschaftlichen Verhältnissen oder von Niedriglöhnen oder Hartz IV zu leben".

Jüsten warnte vor einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Es dürfe nicht zu einem "die da unten" und "die da oben" kommen, bei dem dann die Mittelschicht fürchte, dazwischen zerrieben zu werden. Der promovierte Sozialethiker kritisierte, die sozialpolitische Debatte kreise derzeit zu sehr um die Frage, wie viel oder wie wenig ein Mensch bekommen dürfe. Dagegen gebe es zu wenig Bemühungen, den Menschen dauerhaft ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Es bereite ihm auch Sorge, "dass wir einen bestimmten Teil der Gesellschaft aufgegeben haben und ihn nur noch subventionieren. Das geht auf Dauer nicht."

Die FDP wehrt sich gegen die Kritik. "Es ist eine ungerechtfertigte Unterstellung, dass die FDP den Sozialstaat abbauen will", erklärte der Sprecher der Christen in der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, am Sonntag in Berlin. "Schade, dass ein derartig vernünftiger Mann wie Prälat Jüsten sich politisch einseitig in die Debatte um die Zukunft des Sozialstaates einklinkt", reagierte Meinhardt wörtlich auf die Kritik. Eine solche Äußerung von der Opposition halte er für "das übliche ideologische Getöse". Wenn es aber von einem hochoffiziellen Vertreter der katholischen Kirche komme, "halte ich es als Christ für problematisch".

DIHK: Viel Wahlkampfgetöse

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wandte sich gegen Forderungen, durch gesetzliche Mindestlöhne das Lohnabstandsgebot zu gewährleisten. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte: "Theoretisch steigt zwar der Arbeitsanreiz, aber auf der anderen Seite vernichtet ein Mindestlohn gerade Jobs für Geringqualifizierte, weil die Arbeit für viele Unternehmen dann schlicht zu teuer wird."

Zu den umstrittenen Äußerungen Westerwelles sagte der DIHK-Hauptgeschäftsführer: "Sein Ziel, eine breite Diskussion zu entfachen, hat er erreicht." In der ganzen Aufgeregtheit stecke "ja auf allen Seiten auch viel Wahlkampfgetöse".

Zugleich mahnte der DIHK-Hauptgeschäftsführer: "Wir müssen aber vor allem ernsthaft überlegen, welche Unterstützung Langzeitarbeitslose tatsächlich brauchen, damit die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit attraktiver wird." Denn derzeit wirke "das System häufig als Falle, weil sich die Aufnahme einer Erwerbsarbeit finanziell in vielen Fällen einfach nicht lohnt".

Wansleben forderte, Änderungen bei "Hartz IV" sollte es bei den Hinzuverdienstregelungen geben: "Heute besteht ja kaum ein Anreiz, eine gering entlohnte Vollzeittätigkeit aufzunehmen, weil man aufgrund der Anrechnung damit letztlich kaum besser da steht als mit ALG II." Deshalb bevorzugten viele "Aufstocker" Minijobs. Dadurch werde der Einstieg in "richtige" Arbeit aber immer schwerer.

(DDP/KNA/das)
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