"Verfassungswidrig" Diätenerhöhung für Abgeordnete wird weiter kritisiert

Düsseldorf (RPO). Die Kritik an der automatischen Diätenerhöhung im Düsseldorfer Landtag reißt nicht ab. Parteienforscher Hans Herbert von Arnim beurteilt das Gesetz als verfassungswidrig. Zuvor hatten sich bereits der Bund der Steuerzahler und der NRW-Richterbund gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen.

 Erneut gibt es Kritik an der automatischen Diätenerhöhung im Düsseldorfer Landtag.

Erneut gibt es Kritik an der automatischen Diätenerhöhung im Düsseldorfer Landtag.

Foto: rpo/Vassilios Katsogridakis

"Meines Erachtens ist der NRW-Gesetzentwurf verfassungswidrig", sagt der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim. DGB-Landeschef Guntram Schneider kritisiert den Zeitpunkt der fraktionsübergreifenden Initiative als "ungeschickt". Angesichts der Finanzkrise und "materiellen Verschlechterungen für viele Menschen" komme die Novelle zur falschen Zeit, sagte der Gewerkschafter.

Nach dem Willen von CDU, SPD, FDP und Grünen sollen die Bezüge der 187 Abgeordneten von derzeit 9756 Euro im Monat künftig automatisch steigen. Nur noch zu Beginn der fünfjährigen Wahlperiode fällt dann ein Beschluss an. Danach erfolgt die Anpassung ohne Abstimmung im Landtag jeweils zum 1. Juli. Die Höhe des Aufschlags soll das Landesamt für Statistik aus dem Anstieg der Einkommen der Bevölkerung und der allgemeinen Alltagskosten berechnen.

"Der Entwurf widerspricht dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Diäten der Abgeordneten aus dem Jahr 1975", sagt Arnim. Darin hätten die Richter festgelegt, dass für eine Anhebung der Abgeordnetenbezüge eine "selbstständige Entscheidung des Parlaments" notwendig ist. Arnim lehrt an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer.

Sollte ein Abgeordneter in Karlsruhe gegen das NRW-Gesetz klagen, werde es keinen Bestand haben, ist sich Arnim sicher. Er sehe die Gefahr, dass Regelungen, wie sie jetzt in NRW beschlossen werden sollen und wie es sie schon in einigen anderen Bundesländern gibt, zu einem "Trend" werden. "Für die Abgeordneten ist dieses Modell sehr bequem, weil sie damit jährlichen öffentlichen Debatten über ihre Diäten ausweichen können", sagt Arnim.

Ohne Debatte

Als allerletzten Tagesordnungspunkt hatten die Fraktionen den Gesetzentwurf am Donnerstagabend in den Landtag eingebracht - ohne Debatte. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Biesenbach zeigt sich verwundert über die "Aufregung". Auch die meisten Zeitungskommentatoren hatten die Pläne kritisiert und dem Landtag vorgeworfen, mit der Neuregelung den alljährlichen Debatten über den fälligen Erhöhungsbeschluss künftig ausweichen zu wollen.

Auch bisher ist es so, dass die Landesstatistiker Zahlen zu den Lebenshaltungskosten vorlegen - einmal im Jahr. Aus den Zahlen habe Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) bislang einen Bericht gefertigt, der dann Grundlage für die Diätenerhöhungen mit jeweils zwei Lesungen im Landtag gewesen sei, sagt Biesenbach. Es ändere sich mit der Neuregelung also "nichts, nur, dass wir jetzt zweimal eine halbe Stunde Zeit nicht verschenken".

Auch die anderen Fraktionen stehen zu der Automatenlösung. "Ich sehe keinen Bedarf für Änderungen am Gesetzentwurf", sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Carina Gödecke. Die Neuregelung sei verfassungsgemäß. "Es gibt weiter eine Entscheidung des Landtags - der einzige Unterschied zur heutigen Regelung ist, dass wir nur einmal in der Legislaturperiode festlegen, nach welchen Kriterien die Diätenanpassung errechnet wird", meint Gödecke.

Von der FDP gibt es keinen Kommentar. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Remmel hält "den gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen für einen möglichen Weg". Mit der Reform würden die NRW-Abgeordneten an die allgemeine Einkommensentwicklung von Arbeitern, Beamten, Angestellten und auch Sozialhilfeempfänger "angekoppelt".

"Ich sage aber jetzt nicht 'Augen zu und durch'. Bei den weiteren Beratungen im Landtag ist es selbstverständlich, Sachverständige und auch die Kritiker des Gesetzentwurfs zu hören", deutet der Grünen-Politiker Kompromissbereitschaft an. "Die Grundsatzfrage bleibt, wie Abgeordnete angemessen bezahlt werden sollen und wie Diätenerhöhungen transparent und begründet sind", sagt Remmel. Bis zum Jahresende will das Parlament eine Entscheidung treffen.

(afp)
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