Große Koalition Die CSU muss sich in Berlin neu bewähren

Berlin · Horst Seehofer rettet sich aus den Münchner Machtkämpfen in ein Ministeramt. Damit ist aber der Parteifrieden noch nicht wiederhergestellt. Zudem bestehen Zweifel, ob Seehofer seinem Super-Ministerium gewachsen ist.

 Horst Seehofers Team für Berlin von links nach rechts: Andreas Scheuer, Gerd Müller und Dorothee Bär.

Horst Seehofers Team für Berlin von links nach rechts: Andreas Scheuer, Gerd Müller und Dorothee Bär.

Foto: dpa, geb

Auf Selbstvermarktung versteht sich CSU-Chef Horst Seehofer immer noch. Die Nachricht, wonach Dorothee Bär Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt werden soll, ließ er so geschickt durchstechen, dass man meinen konnte, die CSU erhalte ein Ministerium mehr als im Koalitionsvertrag vereinbart. Dabei wird Bär nur den Rang einer Staatssekretärin innehaben - im Kanzleramt und im Außenministerium führt man damit dennoch den Titel Staatsminister.

Blass und verschnupft

Ansonsten hielt der scheidende bayerische Ministerpräsident keine Überraschungen parat. Blass, kurzatmig und erkennbar verschnupft präsentierte er in München seine Mannschaft für Berlin. Er selbst will als Superminister für Innen, Heimat und Bauen in die Hauptstadt wechseln. Im Regierungsviertel sagt es bislang keiner offen, aber viele sorgen sich, dass Seehofer mit dieser Kombination völlig überfordert sein könnte.

Vor Seehofers politischen Instinkten hat man in der Hauptstadt immer noch Respekt. Aber ob er der Richtige ist, Gefahrenlagen mit Professionalität nach innen und beruhigenden Signalen nach außen zu managen, das bezweifelt mancher. Denn in der Vergangenheit heizte er in solchen Situationen eher selbst an. Als er Gesetzesverschärfungen nach der Terrortat am Breitscheidplatz anmahnte, wurde er von der damaligen saarländischen Ministerpräsidentin und nun amtierenden CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Ordnung gerufen. Sie forderte, zunächst die Lage zu analysieren, bevor man nach Gesetzesverschärfung ruft. Als neuer Innenminister wäre es schwierig für Seehofers Autorität, sollten ihn Ordnungsrufe dieser Art ereilen.

Sheriff Seehofer?

Seehofer dürfte versuchen, sich bis zur Landtagswahl in Bayern im Herbst in seinem neuen Amt stark zu profilieren. Er dürfte jenen Sheriff geben, dessen Ordnungspolitik Bayern in der ganzen Republik Respekt verschafft und nur manchmal Spott eingetragen hat. Zu Chaos wie im vorigen Jahr beim G 20-Gipfel im Hamburg des kommissarischen SPD-Chefs Olaf Scholz wäre es in Bayern nie gekommen, sind sich Unionspolitiker sicher. Seehofer wird beweisen wollen, dass die von der CSU angestrengte Eindämmung der Zuwanderung genau diese Antwort gibt: "Wir haben verstanden."

Dem 68-Jährigen schwebt vor, dass die CSU alle Themen bearbeitet, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Ob er damit wirklich Zufriedenheit im bayerischen Landtagswahljahr erntet, ist ungewiss. Auch für den Neuen im Kabinett wird es nicht leicht: Der bisherige Generalsekretär Andreas Scheuer hat das krachend schlechte Ergebnis der Partei bei der Bundestagswahl mitzuverantworten. Aber seine etwas grobe Art der Kommunikation gegenüber politischen Konkurrenten hat Seehofer manches Mal den Rücken freigehalten. Nun wird Scheuer mit dem Verkehrsministerium belohnt. Ihm droht, dass sich die Unbeliebtheit seines Vorgängers Alexander Dobrindt auf ihn überträgt. Dessen Probleme von Pkw-Maut bis Diesel-Skandal erbt er auch. Der 62-jährige Gerd Müller bleibt, wo er ist: als Minister im Entwicklungsressort.

"Herrschaft des Unrechts"

Die interessanteste Konstellation in der künftigen Regierung wird das Verhältnis Merkels zu Seehofer als Innenminister sein. Verklagen wollte er sie vor dem Bundesverfassungsgericht, weil für ihn Merkels Flüchtlingspolitik eine "Herrschaft des Unrechts" war. Der über ein Jahr andauernde Streit mit dem CSU-Chef zählt für Merkel zu ihren schlimmsten und zermürbendsten Erfahrungen in der Politik überhaupt, wie es aus ihrem Umfeld heißt. Beim demonstrativen und öffentlich vorgeführten Versöhnungsversuch vor einem Jahr in München verzog Merkel keine Miene. Rückkehr zur professionellen Zusammenarbeit: ja. Freundschaft: nein. Sie habe unbedingt den Eindruck verhindern wollen, dass alle Welt nun glaube, es sei nichts vorgefallen, hieß es später. Das hätte sie für unglaubwürdig gehalten.

Noch ist nicht klar, ob Seehofer die ganze Legislaturperiode in Berlin bleiben wird. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt würde Seehofer gern als Parteichef beerben. Auch um dem Erzrivalen und künftigen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder dieses Feld nicht zu überlassen. Gradmesser für die nächsten Personalwechsel ist die Bayernwahl. Verteidigt Söder die absolute Mehrheit der CSU, dürfte er auch nach dem Parteivorsitz greifen. Wenn nicht, wird die Zukunftsfrage der Christsozialen wieder neu gestellt.

(kd/qua)
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