Energiegipfel im Kanzleramt Die gescheiterte Strompreisbremse

Berlin · Bund und Länder können sich beim Energiegipfel noch nicht auf gemeinsame Schritte zur Eindämmung des Strompreisanstiegs einigen. Immerhin überlassen die Länder dem Bund die Generalplanung für die Stromautobahnen.

Wochenlang hat er mit den Umwelt- und Wirtschaftsministern der Länder über Konzeptpapieren gebrütet, um der Kanzlerin einen Bund-Länder-Konsens für eine Strompreisbremse präsentieren zu können. Doch Rot-Grün wollte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und seiner Chefin den Erfolg nicht gönnen, zumindest noch nicht.

SPD und Grüne lehnten die Vorschläge zur Kappung der Ökostrom-Förderung ab und legten eigene Forderungen vor, etwa die deutliche Senkung der Stromsteuer um 25 Prozent, die wiederum der Bund nicht akzeptieren wollte, weil sie ein Riesenloch in seine Kasse — oder besser: in die Rentenkasse — risse, die von den Einnahmen des Bundes aus der Stromsteuer profitiert.

Die Kanzlerin konnte also nach ihrem Treffen mit den 16 Ministerpräsidenten am Donnerstag kein Ergebnis vorlegen. Durchsetzen konnte sie nur ein Papier, in dem es heißt, die Zielsetzung von Bund und Ländern bleibe, im Sommer ein Gesetz zur Eindämmung des Strompreisanstiegs in Kraft zu setzen. Unter Federführung des Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) sollen die Eckpunkte bis Mai stehen. Man wolle noch eine Lösung, sagte Angela Merkel nach dem Treffen. "Ob es gelingt, werden wir sehen."

Wozu dient die Strompreisbremse?

Um zu verhindern, dass die Kosten im Zusammenhang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien noch mehr aus dem Ruder laufen: Vor allem durch den enormen Zubau von Solarstromanlagen war die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die von den Stromverbrauchern zu tragen ist, zu Jahresbeginn um mehr als 50 Prozent auf knapp 5,3 Cent pro Kilowattstunde gestiegen.

Die Vergütungssätze, die Solarstromproduzenten aus der Umlage garantiert für 20 Jahre erhalten, sind zwar bereits spürbar gekürzt worden, doch der Zubau bei den Solaranlagen ging auch in jüngster Zeit in hohem Tempo weiter. Zudem sollen in diesem und im kommenden Jahr viele neue Windräder angemeldet melden. Ohne die angestrebten Maßnahmen zur Strompreissicherung würde die EEG-Umlage 2014 auf bis zu sieben Cent pro Kilowattstunde steigen. Dadurch würde sich die Stromrechnung für einen Durchschnittshaushalt mit 4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch um weitere 100 Euro erhöhen (Grafik).

Ist die Strompreisbremse endgültig vom Tisch?

Nein. Vor allem die Kanzlerin hat großes Interesse, im Wahlkampf nicht wegen des drohenden Strompreisanstiegs zu sehr in die Defensive zu geraten. Doch auch SPD und Grüne wollen vor der Wahl von der schwarz-gelben Koalition nicht als Verhinderer von Strompreisdämpfungen an den Pranger gestellt werden. Eine Einigung von Bund und Ländern bis Mai gilt als wahrscheinlich. "SPD und Grüne sind sich einig, durch Anpassungen bei der Förderung der Erneuerbaren und den Industrieausnahmen, aber auch durch Senkung der Stromsteuer die Bürger beim Strompreis zu entlasten", sagte NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft nach den Verhandlungen.

Was hatte die Bundesregierung ursprünglich vorgeschlagen?

Altmaier und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wollten die Ökostrom-Produzenten erstmals seit Einführung des EEG an den Kosten der Energiewende beteiligen. Für Neuanlagen, ausgenommen Solaranlagen, sollte die Vergütung in den ersten fünf Monaten nach Inbetriebnahme deutlich gesenkt werden. Zudem sollte die Vergütung für Bestandsanlagen 2014 pauschal um 1,5 Prozent gekürzt werden. Dagegen liefen SPD und Grüne Sturm.

Dass Windräder an Land einen geringeren Vergütungssatz bekommen sollen, war indes Konsens. Insgesamt sollte die Branche knapp 1,2 Milliarden Euro zur Kostendämpfung beitragen. Weitere 700 Millionen Euro wollten Altmaier und Rösler durch die Kappung der Industrierabatte bei der Ökostrom-Umlage einsparen. Schienenbahnen, Kohlebergbau und Ernährungs- und Futtermittelindustrie sollten künftig die volle Umlage bezahlen. NRW und andere SPD-geführte Länder wollten die Rabatte für den Bergbau und die energieintensiven Industrien aber erhalten, weil sonst industrielle Arbeitsplätze gefährdet gewesen wären, so Kraft.

Wie sah der rot-grüne Gegenvorschlag aus?

Die Länder lehnten Kürzungen bei bestehenden Ökostrom-Anlagen ab, was der Bund schließlich akzeptierte. Alleine die Vorschläge hätten bereits zu einer "massiven Verunsicherung der Wirtschaft" geführt, kritisierte NRW-Ministerpräsidentin Kraft. SPD und Grüne wollten nur beim Windstrom an Land und bei Biomasseanlagen Kürzungen im Umfang von rund 200 Millionen Euro zulassen. Hier forderte der Bund bis zuletzt einen Beitrag von 700 Millionen Euro. Strittig war auch die Kappung der Industrierabatte. Die SPD in NRW wollte Kürzungen bei den Bahnen und dem Bergbau vermeiden, auch unions-geführte Länder lehnten Kürzungen in den Industriebranchen ab.

Kernelement des Ländervorschlags war die Senkung der Stromsteuer, die von Rot-Grün zur Entlastung der Rentenversicherung erfunden worden war. Die Einnahmen stehen dem Bund zu, der nach Ländermeinung auf 25 Prozent der sieben Milliarden Jahreseinnahmen verzichten könnte. Dadurch würden die Verbraucher um 1,6 Milliarden Euro entlastet. Experten bezweifeln das: Die Energieversorger dürften die Steuerentlastung kaum voll an die Verbraucher weitergeben.

Wie könnte ein Konsens aussehen?

Alle Seiten — Ökostromproduzenten, Industrie und der Staat — müssten sich an der Strompreisbremse mit ähnlichen Summen beteiligen.

Was haben Bund und Länder beim Stromnetzausbau vereinbart?

Immerhin stimmten die Ministerpräsidenten zu, der Bundesnetzagentur die Planungshoheit für länderüberschreitende Hochspannungsleitungen zu überlassen. Nötig sind bundesweit 2800 neue Leitungskilometer. Durch die Zuständigkeit des Bundes könnte der Netzausbau beschleunigt werden, denn Länder-Streitigkeiten haben Leitungen bisher verzögert. Die durchschnittliche Bauzeit soll von zehn auf vier Jahre verkürzt werden.

(mar)
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