Wissenschaftliche Studie Grüne entschuldigen sich erneut für Pädophilie-Beschlüsse

Berlin · Inmitten des Wahljahres 2013 holte die Grünen die Vergangenheit ein. Es ging um den Einfluss von Pädophilen auf die Partei in den 80er Jahren. Nun liegt ein wissenschaftliches Gutachten über die damaligen Vorgänge vor – und die Grünen-Spitze entschuldigte sich erneut.

 Parteichefin Simone Peter entschuldigte sich im Namen der Grünen für die frühprogrammatischen Forderungen.

Parteichefin Simone Peter entschuldigte sich im Namen der Grünen für die frühprogrammatischen Forderungen.

Foto: dpa, mjh cul lof

Inmitten des Wahljahres 2013 holte die Grünen die Vergangenheit ein. Es ging um den Einfluss von Pädophilen auf die Partei in den 80er Jahren. Nun liegt ein wissenschaftliches Gutachten über die damaligen Vorgänge vor — und die Grünen-Spitze entschuldigte sich erneut.

Knapp 300 Seiten umfasst die Studie, die das Göttinger Institut für Demokratieforschung am Mittwoch in Berlin vorlegte. Eine Kurzfassung haben die Grünen auf ihrer Webseite veröffentlicht. Die Partei selbst hatte Institutsleiter Franz Walter damit beauftragt, für Klarheit zu sorgen in Bezug auf den Einfluss von Pädophilen auf die Partei in den Anfangsjahren. Nun also liegt das Dokument vor.

Die damaligen Vorgänge bei den Grünen, so lautet die Einschätzung im Gutachten, sei eng verknüpft mit ähnlichen Debatten außerhalb der Partei. Forderungen nach Straffreiheit für Sex mit Kindern habe es schon vor Gründung der Grünen gegeben, sagte Walter bei der Vorstellung des Berichts. Entsprechend beschäftigt sich der erste Teil des Gutachtens dann auch mit den gesellschaftlichen Entwicklungen jener Zeit.

Weit verbreitet in der wissenschaftlichen Fachwelt

Schon in den 60er Jahren habe es eine breitere Debatte über das Thema sexuelle Befreiuung gegeben im Zuge der gesellschaftlichen Liberalisierung. Und dieser Diskurs habe sich auch in den Strafrechtsreformen widergespiegelt. "Die Auffassung, dass pädosexuelle Kontakte als solche überwiegend unschädlich seien, war weit verbreitet, ja geradezu dominant in der 'wissenschaftlichen Fachwelt'", heißt es in dem Gutachten. "Zwar konnten von wissenschaftlicher Seite mangels verlässlichen Materials eigentlich keine generalisierbaren Aussagen getätigt werden, trotzdem taten Wissenschaftler dieses fortwährend.

Bei den damals neu gegründeten Grünen, so sagte Walter in Berlin, habe es Tendenzen gegeben, die Positionen von Minderheiten unkritisch zu übernehmen. "Was der libertäre Teil des nachgewachsenen bundesdeutschen Bürgertums seit Mitte der 1960er Jahre insgesamt an ideologischen Fragmenten verbreitet hatte, floss Ende der 1970er Jahre auch in die Parteigründung der Grünen vor", heißt es diesbezüglich in dem Gutachten. Dort hätten sie, auch wenn manche sich bereits als Irrweg erwiesen hätten, erneut Resonanzraum gefunden. "Das galt im Prinzip auch für die Frage der Pädosexualität."

Das Gutachten macht aber auch deutlich, dass diese Einstellungen bei Weitem nicht die ganze Partei durchdrungen hatten, "Zweifel am Projekt der pädophilen Emanzipation wurden durchaus vorgebracht". Es seien durchaus "dezidierte Skepsis und Einsprüche gegenüber pädophiler Affirmation vorhanden gewesen". Allerdings hätten es solche kritischen Stimmen zu Beginn der 80er Jahre nicht immer leicht gehabt, genügend Aufmerksamkeit zu erreichen.

Parteichefin Peter entschuldigt sich

In dem Bericht wird zudem aufgelistet, in welchen kommunalen oder Landeswahlprogrammen entsprechende Forderungen Einzug hielten sowie das in entsprechenden Milieus auch teils offensiver Wahlkampf damit betrieben worden sei. Zugleich wird aber auch darauf hingewiesen, dass solche Forderungen auch von der Partei zurückgewiesen wurden — unter anderem im Wahlprogramm von Hessen 1982 oder von Bayern 1982 und 1986.

Schließlich wird konstatiert, dass im Zuge der Parteitransformation der Grünen nach der Wiedervereinigung dieser Teil der programmatischen Vergangenheit vergessen oder verdrängt worden sei. Dies habe sich in der Debatte 2013 widergespiegelt und dem "ratlosen wie irritiertem Auftritt der Funktionsträger der Partei" als auch in "oft pikierten Reaktionen" der gerade älteren Mitglieder. Auch wenn die Einflüsse der Zeit bei den Grünen eingeflossen seien, so trügen Parteien wegen ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung und der Parteienfinanzierung durch den Staat besondere Verantwortung.

Dass die Partei zu spät reagiert hatte auf die damaligen Vorgänge, betonte auch Grünen-Chefin Simone Peter noch einmal bei der Vorstellung des Gutachtens. "Wir bedauern zutiefst, dass es in der frühen Parteigeschichte zu solchen Vorgängen kommen konnte", sagte sie und entschuldigte sich bei den Opfern von sexuellem Kindesmissbrauch für die Unterstützung von entsprechenden Gruppen in den 80er Jahren. Die Grünen, so betonte Peter, trügen hier Verantwortung und hätten viel früher reagieren müssen.

mit Agenturmaterial

(das)
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