Stasi-Ermittlungen gegen Gregor Gysi Die Linke glaubt an eine Schmutzkampagne

Die Linke stellt sich empört hinter ihren Spitzenkandidaten Gregor Gysi. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil er im Zusammenhang mit Stasi-Kontakten eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben soll. Die CDU übt schwere Kritik an Gysi, dessen Immunität hat der Bundestag aufgehoben. Die Linke gibt sich trotzig. "Im Osten wird uns das sogar noch nützen", sagt einer.

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Der gegen Linksfraktionschef Gregor Gysi erhobene Vorwurf, er habe falsche Angaben über angebliche Kontakte zur DDR-Staatssicherheit gemacht, ist nach Auffassung des CDU-Abgeordneten Thomas Strobl schwerwiegend.

"Eine gerichtliche Entscheidung, dass die eidesstattliche Aussage von Gysi falsch war, liegt noch nicht vor. Aber natürlich wiegt schon der Vorwurf schwer", sagte der Vorsitzende des Immunitätsausschusses im Bundestag der "Welt am Sonntag". Gysis Immunität als Abgeordneter war wegen der Ermittlungen aufgehoben worden.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bezeichnete am Sonntag in der ARD Gysis Verhalten als höchst bedenklich. Er führte an, schon 1998 habe der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit eine Stasi-Mitarbeit von Gysi für erwiesen erachtet. Seine Erwartungen hinsichtlich der Ermittlungen seien hoch, sagte Gröhe.

Er nutzte die Gelegenheit in der Sendung "Bericht aus Berlin" zudem, Gysis Partei, der Linken, ein nach wie vor unklares Verhältnis zum Unrechtscharakter der DDR vorzuwerfen. "In diesen Zusammenhang passt sich das Verhalten von Gregor Gysi ein", sagte Gröhe. Der SPD-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Peer Steinbrück, wollte den Vorgang rund um Gysi nicht bewerten. "Das kann ich nicht beurteilen", sagte er in der gleichen Sendung. Er wolle das "aus der Hüfte" nicht beurteilen, denn man tue Menschen bei so etwas sehr schnell Unrecht, sagte Steinbrück.

Auslöser sei die Anzeige eines früheren Richters. "Ich kann Ihnen bestätigen, dass ein solches Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Hamburg anhängig ist", sagte Behördensprecher Carsten Rinio am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa.

Mit der eidesstattlichen Versicherung, die nun angezweifelt wird, hatte sich Gysi dem Bericht zufolge Anfang 2011 gegen die Ausstrahlung einer NDR-Dokumentation gewehrt. In der Sendung ging es um Gysis angebliche Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit in der DDR. In seiner damaligen Erklärung hatte der Politiker versichert, er habe "zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemand wissentlich und willentlich an die Staatssicherheit berichtet". Diese Aussage könne falsch sein, berichtet die Zeitung nun unter Berufung auf Dokumente aus der Stasi-Unterlagen-Behörde.

Der Immunitätsausschuss des Bundestags hatte sich bereits Ende Januar mit dem Vorgang befasst und keine Einwände gegen eine Prüfung durch die Staatsanwaltschaft erhoben. Man prüfe bei solchen Anträgen nur, ob es Anhaltspunkte für ein willkürliches oder sachfremdes Vorgehen von Staatsanwälten gegen Abgeordnete gebe, sagte der Ausschussvorsitzende Thomas Strobl (CDU) der "Welt am Sonntag".
Solche Fälle kämen in jeder Wahlperiode öfter vor, und es gelte jeweils die Unschuldvermutung. Bei einer Versicherung an Eides statt müsse allerdings jedes Wort wohlbedacht sein. Dies müsse gerade ein Anwalt wie Gysi wissen, meinte Strobl.

Auf seiner Facebook-Seite schrieb Gysi, nach einer solchen Anzeige müsse der Vorwurf in einem Ermittlungsverfahren geprüft werden. "Das ist schon einmal geschehen. Selbstverständlich wird das Verfahren wie damals eingestellt werden", zeigte er sich überzeugt.

Auch Fraktionssprecher Hendrik Thalheim reagierte gelassen. "Gregor Gysi hat keine Falschaussage gemacht", sagte er auf dpa-Anfrage. Es sei aber selbstverständlich, dass eine Staatsanwaltschaft jeder Anzeige nachgehen müsse. In einer Mitteilung ergänzte er: "Regelmäßig vor einer Bundestagswahl findet eine solche Kampagne gegen Gregor Gysi und Die Linke statt." Dies gehe "an der Wahrheit genauso vorbei wie bei allen derartigen früheren Kampagnen".

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Ulrich Maurer, sagte in der "Leipziger Volkszeitung" (Montag) voraus: "Im Osten wird uns das sogar noch nützen." Noch nie habe auch nur ein Gericht die Stasi-Vorwürfe gegen Gysi bestätigt. "Insbesondere die Menschen in Ostdeutschland haben von solchen Spielchen die Nase voll."

Seit rund zwei Jahrzehnten werden immer wieder Vorwürfe über eine angebliche Zusammenarbeit Gysis mit der Stasi erhoben. Bislang hat er sich stets juristisch gegen diesen Verdacht gewehrt. Gysi hatte in der DDR als Anwalt prominente Dissidenten wie Rudolf Bahro und Robert Havemann vertreten.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der "Welt" (Montag): "Ich persönlich hatte nie einen Zweifel, dass die Linkspartei auch ein Unterschlupf für Stasi-Kommunisten ist." Die neuen Vorwürfe überraschten ihn nicht. "Gysi muss jetzt alle seine Verstrickungen ins SED-Unrecht schonungslos offenlegen." Der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, kündigte in der Zeitung an, seine Behörde werde die Ermittler entsprechend dem Stasi-Unterlagen-Gesetz unterstützen. Unterlagen seien "reichlich vorhanden".

(dpa/REU/csi/pst)
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