Fraktionschef der Linken Gregor Gysi "Die Linke ist nicht mehr antisemitisch"

Berlin · Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, bezieht Stellung: Insgesamt sei die Linke - abgesehen von Einzelfällen - nicht mehr antisemitisch, das sei die Linke, die es mal "gegeben hat", erklärte er. Zugleich verteidigte er Kritik an Israel und dem Siedlungsbau. Dies sei "nicht gleich antisemitisch".

 Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, bescheinigt seiner Partei, dass sie nicht mehr antisemitisch sei.

Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, bescheinigt seiner Partei, dass sie nicht mehr antisemitisch sei.

Foto: dpa, Robert Schlesinger

Zudem sieht er sich "gehemmt" bei der Kritik von Antisemitismus in seiner eigenen Partei. Es könne so aussehen, "als ob man sich um sich selbst kümmert", sagte der Politiker der Tageszeitung "Die Welt".

Gysi selbst ist nach eigenen Angaben Ziel antisemitischer Angriffe. Nachdem er auf Facebook am 9. November zum Kampf gegen Antisemitismus aufgerufen habe, bekomme er viele antisemitische E-Mails, erklärte er. "Ich weiß zwar, dass es in Deutschland einen zum Teil tief sitzenden Antisemitismus gibt, aber man traut sich eigentlich nicht, ihn öffentlich zu zeigen. Das Internet bietet diesen Menschen die Möglichkeit, dies kundzutun, ohne dass man ermittelt wird", sagte der Politiker. Die Anfeindungen blocke er aber innerlich ab. Denn "wenn man so etwas wirklich an sich ranlässt, zerstört es einen".

Der Politiker berichtete, er habe eine jüdische Großmutter väterlicherseits und einen jüdischen Urgroßvater mütterlicherseits. "Nach den Nürnberger Rassegesetzen bin ich nur zu 37,5 Prozent jüdisch, nach den jüdischen Gesetzen bin ich überhaupt kein Jude, weil ich keine jüdische Mutter habe." Er selbst sei überhaupt kein religiöser Mensch, so Gysi. Als ein Schlüsselerlebnis nennt er den ersten Besuch in Israel Anfang der 90er Jahre. Damals habe er den Namen seiner Urgroßmutter in der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem gefunden, dann habe er den Palästinenserführer Yassir Arafat in Tunesien getroffen. "Ich habe danach die Sicht beider Seiten besser verstanden."

Das Jüdische habe in seiner Familie "immer eine untergeordnete Rolle gespielt", erläuterte der Jurist. Seine Eltern hätten Wert daraufgelegt, "als Linke von den Nazis verfolgt worden zu sein". Eine Ausnahme sei seine jüdische Großmutter gewesen. Diese habe ihm immer die Welt in Form von Juden und Nichtjuden erklärt. "Das ging mir auf die Nerven", sagte Gysi. "Eines Tages sagte ich: Es genügt mir, wenn du sagst: Das ist ein guter oder ein schlechter Komponist - und nicht, ob er jüdisch ist oder nicht. Da guckte sie mich an und sagte: Diese Frage hat über mein Leben entschieden." Er sei damals zwölf Jahre alt gewesen, und der Satz habe ihn sehr beeindruckt.

(KNA)
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