Rentenbeschluss der Sozialdemokraten Die SPD rückt Steinbrück nach links

Berlin · Der Rentenbeschluss der SPD korrigiert die eigenen Gesetze der rot-grünen Regierung Schröder. Im Wahlkampf will die SPD sich als Hüter der armen Alten präsentieren. Und Peer Steinbrück macht mit.

Das ist Peer Steinbrück
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SPD-Chef Sigmar Gabriel war richtig guter Laune. Bei der Sitzung des Parteikonvents, eine Art kleiner Parteitag der SPD mit 250 Delegierten am vergangenen Samstag in Berlin, zitierte Gabriel lächelnd einen Bericht unserer Redaktion von vergangener Woche. Überschrift: "SPD treibt CDU bei Rente". Das gefiel dem SPD-Vorsitzenden. Während in der Union die Diskussion um Zusatzrente, Altersarmut und Mütter-Renten lebhaft und bislang ergebnislos geführt wird, beschließt die SPD ohne Gegenstimme ein umfassendes Rentenkonzept.

Darin: das Aussetzen der Rente mit 67, Einführung einer Solidarrente für langjährig Versicherte in Höhe von 850 Euro monatlich, das Absenken des Rentenniveaus soll 2020 vor dem Hintergrund der Beschäftigungslage Älterer neu bewertet sowie die Ost-Renten angeglichen, die betriebliche Altersvorsorge ausgebaut und die Hilfen für Erwerbsminderungsrentner aufgestockt werden. Das Rentenprogramm kostet den Steuerzahler nach SPD-Angaben bis 2030 rund 16 Milliarden Euro.

Viele Punkte kommen aus der SPD-Linken

Es ist ein wuchtiges Politik-Programm für die wichtigste, weil stetig wachsende Wählergruppe: die Rentner. Das Konzept folgt in vielen Punkten den Vorschlägen der SPD-Linken. Für viele Arbeitnehmer, so heißt es im Beschluss, sei die Rente mit 67 nichts als "eine weitere Kürzung ihrer Rente". Die SPD hat sich offenbar entschieden, den berühmten Slogan des früheren CDU-Arbeitsministers Norbert Blüm "Die Rente ist sicher" zum Leitsatz ihres sozialpolitischen Wahlkampfes zu machen.

Aber wie viel Peer Steinbrück steckt eigentlich in dem Konzept? Und wie sollen die Vorschläge angesichts der erwarteten wirtschaftlichen Eintrübung und der ab 2016 greifenden Schuldenbremse finanziert werden? Mit ihrer Rentenreform schleift die SPD zudem wesentliche Positionen ihrer früheren Regierungsarbeit. So hatte Rot-Grün einst beschlossen, dass das Rentenniveau angesichts der Alterung der Gesellschaft von jetzt 51 Prozent des Nettodurchschnittslohns auf 43 Prozent im Jahr 2030 sinken müsse. Nun soll erst 2020 entschieden werden, ob dies umgesetzt werden kann.

Die große Koalition von Union und SPD hatte unter der Führung des zuständigen SPD-Arbeitsministers Franz Müntefering 2007 den Einstieg in die Rente mit 67 beschlossen. Seit dem laufenden Jahr steigt das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise an: Die Übergangsphase dauert 18 Jahre. Nun erneuert die SPD ihren Parteitagsbeschluss, dass die Rente mit 67 ausgesetzt werde, solange die 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmer nicht mindestens zu 50 Prozent in sozialversicherungspflichtigen Jobs untergebracht sind.

"Wir-Werte statt Ego-Werte"

Es ist vielleicht keine "Rolle rückwärts", die die SPD hier aufführt, aber eine rentenpolitische Pirouette erlaubt sich die Traditionspartei schon. Wohl auch deswegen warnte Altkanzler Gerhard Schröder seine Partei in einem Interview: "Die SPD wird die Demografie nicht überlisten können." Ex-SPD-Chef Franz Müntefering, der nicht Mitglied des Parteikonvents ist, soll die Beschlüsse intern heftig kritisiert haben.

Der inoffizielle Chefökonom der Sozialdemokratie, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, findet die neue Rentenpolitik jedenfalls richtig gut. "Es ist eine Freude, dass die SPD hier etwas sehr Gelungenes vorgelegt hat", jubelte Steinbrück am Samstag. Im September 2010, ein Jahr nach dem Ausscheiden aus der Bundesregierung, hörte sich das bei dem Ex-Finanzminister noch anders an.

Den Kurswechsel der Parteispitze bei der Rente mit 67 halte er für ebenso "problematisch" wie symptomatisch, sagte Steinbrück im "Spiegel". Schon wieder begehe die SPD den Fehler, dass sie in Oppositionszeiten Versprechen abgebe, die sie bei einer späteren Regierungsbeteiligung werde brechen müssen, analysierte der Ex-Finanzminister. In seinem Bestseller-Buch "Unterm Strich" setzt sich Steinbrück vehement für eine höhere Altersgrenze ein.

Nun müsste ein Kanzler Steinbrück Gesetze umsetzen, die er selbst nicht will und die er wahrscheinlich auch aus finanziellen Gründen nicht eins zu eins umsetzen kann. Doch Peer Steinbrück geht es in diesen Tagen, angeschlagen durch die leidige Debatte über seine lukrativen Nebentätigkeiten als Abgeordneter, vor allem um Geschlossenheit. "Wir-Werte statt Ego-Werte" sei der Maßstab, sagt Steinbrück. Man könnte auch anders formulieren: Peer Steinbrück hat sich der Partei untergeordnet.

Lob für den Parteichef

In der SPD herrscht jedenfalls Ruhe. SPD-Chef Sigmar Gabriel wird gelobt. Der Vorsitzende hatte den Rentenkompromiss zur Chefsache gemacht und über Monate die Positionen und Eitelkeiten der verschiedenen Parteiflügel mit der "Beinfreiheit" des Kandidaten zusammengeführt. "Eine erstaunliche Leistung des Parteivorsitzenden", sagt selbst Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen "Seeheimer Kreises" und nicht immer einer Meinung mit dem Vorsitzenden.

"Wir können mit dem Beschluss gut leben", sagt Kahrs. Zwar halte er an der Rente mit 67 fest. Es gehe aber nun darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Arbeitnehmer diese Altersgrenze im Job überhaupt erreichen können. Deshalb enthalte der Beschluss auch die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn und besseren Arbeitsbedingungen.

Die SPD hat wenige Wochen vor der Weihnachtspause ein zentrales Streitthema abgeräumt und im Vergleich zur CDU programmatisch vorgelegt. Die Ruhe dürfte indes nur von kurzer Dauer sein. Im Steinbrück-Lager spricht man bereits offen davon, dass der Kandidat bei der Vermögensteuer nicht so zahm sein werde. Die von der SPD beschlossene Abgabe geht Steinbrück viel zu weit. Hier wolle er "eine deutliche Umgestaltung" erreichen, heißt es. Betriebe dürften nicht belastet werden. Den Kampf will Steinbrück auch mit der SPD-Linken führen. Die neue Rentenformel könnte für die Parteilinke somit nur ein Etappensieg sein.

(brö)
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