Linke-Präsidentschaftskandidatin Klarsfeld Die Stasi und die Ohrfeige

Düsseldorf · Beate Klarsfeld, die von der Linkspartei aufgestellte Gegenkandidatin zu Joachim Gauck, hat jahrelang unter wohlwollender Begleitung Ost-Berlins ihren Feldzug gegen Kanzler Kiesinger geführt.

 Beim Bundesparteitag der CDU im November 1968 verpasste Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger eine schallende Ohrfeige.

Beim Bundesparteitag der CDU im November 1968 verpasste Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger eine schallende Ohrfeige.

Foto: dpa, dpa

Es ist eine Szene, die die gerade erst 19 Jahre alte Bundesrepublik schockt: Eine junge Frau stürmt den Bundesparteitag der CDU in der Berliner Kongresshalle und verabreicht Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger eine schallende Ohrfeige. Damit will die 29-Jährige an die Vergangenheit des Kanzlers in der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands (NSDAP) erinnern. Es ist der 7. November 1968.

Die 29-Jährige von damals ist heute 73. Sie heißt Beate Klarsfeld und ist die Kandidatin der Partei Die Linke für das Amt des Bundespräsidenten. Einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge hat sie mit Wissen und freundlicher Begleitung der DDR ihren öffentlichkeitswirksamen Feldzug gegen Kanzler Kiesinger (1966 — 1969) geführt.

Das ist neu, aber auch so überraschend nicht, denn der zu Recht übelst beleumundete Staatssicherheitsdienst der DDR, im Volksmund "die Stasi" genannt, setzte in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts so manches daran, die Bundesrepublik Deutschland, sprich: die Bonner Republik, zu destabilisieren. Dabei bediente sich die Stasi geheimdienstlicher einschließlich krimineller Methoden — und auch zahlreicher "nützlicher Idioten" im Westen, die nicht wirklich wussten, was sie taten, wem sie dienten, wenn sie beispielsweise Rufmord an westdeutschen Spitzenrepräsentanten begingen.

Abgeordnete mit Geld bestochen

So berichtete 1968 eine Hamburger Illustrierte, die eineinhalb Jahrzehnte später auf gefälschte Hitler-Tagebücher hereinfiel, über den Bundespräsidenten Heinrich Lübke (1959 — 1969) und dessen vermeintliche Mitarbeit an Bauplänen für Nazi-Konzentrationslager. Das verunglimpfende, vergiftende Wort vom "KZ-Baumeister Lübke" war in der Welt, und die Stasi dachte sich: gut so.

Nach der Wende 1989/90 stellte sich heraus, dass die Illustrierte, deren Macher Henri Nannen sich mit dem Ex-Chefredakteur dieser Zeitung, Herbert Kremp, über die Diffamierung Lübkes einen legendären TV-Streit bei Werner Höfers "Frühschoppen" geliefert hatte, einer Stasi-Diffamierungs-Kampagne und Dokumenten-Fälschung erlegen war.

1972, vier Jahre nach Klarsfelds spektakulärer Ohrfeigen-Aktion, hatte die Stasi zwei Unions-Bundestagsabgeordnete mit Geld bestochen, damit diese den Misstrauensantrag der CDU/CSU gegen den amtierenden Bundeskanzler Willy Brandt (1969 — 1974) aus den eigenen Reihen heraus torpedierten — erfolgreich.

Nach dem Zusammenbruch von DDR und Stasi kam zudem heraus, wie sehr die Ost-Berliner Führung im Kalten Krieg zwischen Ostblock und freier Welt den in der Bundesrepublik wütenden, mörderischen Linksterrorismus der Rote-Armee-Fraktion (RAF) gestützt hatte, dass man unter anderem RAF-Verbrechern Unterschlupf gewährte. Die ab 1967 vom marxistischen West-Berliner Studentenmilieu aus explosionsartig ins Land expandierende Außerparlamentarische Opposition (APO) war sich ebenfalls freundlicher Unterstützung der DDR-Herrschafts-Instrumente sicher.

Langjährige Kontakte nach Ost-Berlin

Zurück zu Beate Klarsfeld, die es sich zur ehrenwerten Lebensaufgabe gemacht hat, nationalsozialistische Täter, die nie zur Verantwortung gezogen worden waren, zu stellen und öffentlich zu brandmarken.

Ihre Ohrfeige gegen Kanzler und CDU-Chef Kiesinger traf jemanden, der Mitglied der Hitler-Partei gewesen war, über den jedoch ein ehemaliger hochrangiger SED-Mann nach der Wende aussagte: "Kiesinger war kein Nazi. Er war überhaupt nicht der Typ. Ihn beherrschten konservative Vorstellungen, liberale und nationale Überzeugungen." Und weiter: 1942 habe Kiesinger bei einem Besuch in Paris im vertrauten Kreis gefragt, ob "sich denn kein mutiger Mann finde, der diesen Verbrecher Hitler über den Haufen schießt".

"Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" und das Magazin "Der Spiegel" berichten nun über die langjährigen Kontakte Klarsfelds nach Ost-Berlin. Die Aus- und Inlandsgeheimdienste des SED-Staates wussten nicht nur von Klarsfelds "antifaschistischen" Aktionen und ihrem Anti-Kiesinger-Subjektivismus, sondern man empfand das als gutes Mittel zur Diffamierung der Bundesrepublik im Ausland. Der "Spiegel" zitiert in seiner aktuellen Ausgabe einen früheren Stasi-Offizier: "Den Plan mit der Ohrfeige hat sie wohl selbst ausgeheckt, doch das Material zu Kiesinger stammte von uns."

Sie sei immer wieder in Ost-Berlin gewesen, räumt Klarsfeld ein — als Ehrengast zum Republikjubiläum oder als Gesprächspartnerin von SED-Chef Honecker. Sie habe so an versteckte Alt-Nazis herankommen wollen. Diese gab es aber nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in der sich konsequent antifaschistisch gebenden DDR. NSDAP-Mitglieder wie Kiesinger hat es ebenso in der Nationalen Volksarmee der DDR und in der SED-Hierarchie gegeben.

Seltsamerweise interessierte sich Klarsfeld, die "Nazi-Jägerin" und Gegenkandidatin des DDR-Widerständlers Joachim Gauck, ausschließlich für im Westen lebende Menschen mit NS-Vergangenheit. Im "Spiegel" wurde sie gefragt, ob sie nicht auf einem Auge blind gewesen sei, ob nicht auch ein paar frühere Nationalsozialisten in DDR-Führungsrängen eine Ohrfeige verdient gehabt hätten. Klarsfeld antwortete kleinlaut: Ein paar Fälle, die man verurteilen muss, habe es auch im Osten gegeben.

(RP/das/rm)
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