Fotos Diese 21 Politiker verhandeln über Deutschland
14 Unionspolitiker und sieben SPD-Politiker treffen sich zu einem ersten Gespräch über eine mögliche große Koalition. Wer dabei sein darf und wer nicht, entspringt einem komplizierten parteipolitischen Mix aus Macht, Interessen, persönlicher Loyalität und psychologischen Befindlichkeiten. Versuch einer Übersicht.
Angela Merkel, 59, Bundeskanzlerin. Die mächtigste Person am Tisch. Auf das Kanzlerinnen-Wort kann es am Ende ankommen, wer dieses Land in den kommenden vier Jahren regiert. Die 59-jährige CDU-Vorsitzende wird für sich den Part der moderierenden, zusammenführenden Person in dem Sondierungsspiel wählen. Kompromisse andeuten und ausloten. Merkel muss die Widerspenstigen ködern, die Unterstützer bremsen. Und sie muss einen gedanklichen Entwurf liefern, warum nur eine große Koalition große gesellschaftspolitische Aufgaben bewältigen kann. Wie sie auf SPD-Politiker zugeht kann auch entscheidend für die Atmosphäre sein. Intern hat Merkel angeblich angedeutet, dass sie eine große Koalition angesichts der Machtverhältnisse im Bundesrat und der Bund-Länder-Themen, die gelöst werden müssen, bevorzugt. Vor allem ihren Parteifreund, Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer, muss die CDU-Chefin dabei in Schach halten. Seehofer hat so viele rote Linien gezogen, dass nicht mehr viel Handlungsspielraum bleibt.
Horst Seehofer, 64, CSU-Chef. Der Bayer ist nach dem Wahlerfolg der CSU unberechenbar und einflussreich. Er hat öffentlich ein Veto gegen Steuererhöhungen eingelegt. Für die Pkw-Maut dürfte er davon abrücken. Er ist der Risikokandidat am Tisch. Keiner weiß genau, was er will.
Sigmar Gabriel, 54, SPD-Chef. In der Partei umstritten, als Vorsitzender aber der zentrale Unterhändler der SPD. Er will Vizekanzler werden, darf aber nicht zu viel Inhalte preisgeben, weil sonst die irritierte SPD-Basis aufbegehrt. Gabriel hat in den Verhandlungen daher den schwierigsten Part. Ihm im Nacken sitzen die einflussreichen SPD-Landeschefs Scholz und Kraft, die auf jeden Fehler Gabriels lauern.
Hannelore Kraft, 52, NRW-Ministerpräsidentin. Die heimliche SPD-Vorsitzende. Sie misstraut Gabriel und dürfte darauf pochen, dass SPD-Inhalte durchgesetzt werden. Vor allem mehr Geld für die Kommunen. Kraft will mit einem dicken Scheck vom Bund in die Kommunalwahlen 2014 gehen.
Frank-Walter Steinmeier, 57. Der SPD-Fraktionschef ist die Hoffnung der Union. Auf die Frage, wer in der SPD ein verlässlicher Gesprächspartner sei, nennen viele führende Unionspolitiker an erster Stelle Steinmeier. Er kann gut mit Merkel und Pofalla. Sollte es zu einem schwarz-roten Bündnis kommen, müsste er für jeden Kompromiss, den die Regierung aushandelt, die Mehrheit in der Fraktion organisieren. Daher wichtiger Ansprechpartner für Merkel. Er selbst will offenbar entgegen bisheriger Spekulationen Fraktionschef bleiben.
Manuela Schwesig, 39, die SPD-Vize-Chefin und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern hat seit dem Streit um ein Bildungspaket für Hartz-IV-Empfänger den Ruf eine harte Verhandlerin zu sein. Inhaltlich gilt sie als Gegenpart zu CDU-Frau Ursula von der Leyen. In der Union wird Schwesig wenig geschätzt, ihre Drähte zu den Konservativen sind überschaubar. Für die SPD spielt sie dennoch eine wichtige Rolle. Sie ist das frische, moderne Gesicht der SPD und soll im Fall einer Regierungsbeteiligung Familienministerin werden. Ihr größter Triumph wäre es, wenn sie als die Ministerin in die Geschichte eingehen könnte, die das Betreuungsgeld wieder abschafft.
Olaf Scholz, 55. Der SPD-Vize-Chef und Erster Bürgermeister von Hamburg ist neben NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der mächtigste Landeschef der SPD. Scholz ist ein fachlich versierter und Detail versessener Verhandler. In der Partei sind seine Vorträge gefürchtet, als Chef einer SPD-Alleinregierung in Hamburg gilt Scholz aber auch als einflussreicher Wahlkämpfer. Er will die SPD wieder wirtschaftsfreundlicher machen. Zu Parteichef Sigmar Gabriel ist sein Verhältnis eher unterkühlt. Scholz wird versuchen, die Ausstattung der Länder mit besseren Finanzmitteln zu erreichen.
Andrea Nahles, 43, SPD-Generalsekretärin. Nahles steht unter Druck, weil sie das miese Ergebnis bei den Bundestagswahlen als Generalsekretärin mitverantwortet. Sie muss der Parteibasis gegenüber den Eindruck erwecken, dass sich die Sozialdemokraten nicht unter Wert an die Union verkaufen. Die 43-Jährige gilt aber als heimliche Anhängerin einer großen Koalition, immerhin könnte sie Ministerin werden. Falls es nicht zu einer Regierungsbeteiligung kommt, könnten sich die kritischen Fragen auch an sie richten.
Peer Steinbrück, 66, Ex-Kanzlerkandidat. Der Doyen der Genossen am Verhandlungstisch. Weil er bis zum Schluss gekämpft hat, darf er nochmal für die SPD mitverhandeln. Dürfte aber keine große Rolle spielen. Er hat seinen Rückzug bereits angekündigt, gilt seither als „lame duck“. Auf deutsch: lahme Ente.
Wolfgang Schäuble, 71, Bundesfinanzminister. Merkels Mann für die Euro-Krise. Sie will ihn im Amt halten, könnte aber aus taktischen Gründen das Ressort an die SPD geben. Dann dürfte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen heißer Kandidat für den Posten sein. Merkel schätzt das SPD-Mitglied Asmussen sehr. Wolfgang Schäuble bevorzugt eine große Koalition, weil er in der Europapolitik die SPD braucht. Er ist bei SPD-Politikern hoch angesehen. Wenn er redet, dürfte es still werden in der Runde.
Volker Bouffier, 61, noch amtierender hessischer Ministerpräsident. Er ist eher aus politischer Landschaftspflege dabei. Merkel signalisiert damit, dass sie Hessen noch nicht aufgegeben hat. Im Bund steht Bouffier für einen wirtschaftsliberalen Kurs. Damit dürfte er am Tisch allerdings in der Minderheit sein. Er könnte für die Kanzlerin und die Union aber noch wichtig werden, wenn er es in Hessen schafft, mit den Grünen erstmals in einem Flächenland eine schwarz-grüne Koalition auszuprobieren.
Stanislaw Tillich, 54, führt als Ministerpräsident Sachsens die einzige verbliebene schwarz-gelbe Landesregierung. Seine Nominierung ist daher ein Signal der Kanzlerin, dass sie die letzten vier Jahre Regierungszeit nicht rückabwickeln will und weiterhin einen wirtschaftsfreundlichen Kurs im Auge hat. Das CDU-Präsidiumsmitglied Tillich ist strikt gegen Steuererhöhungen und kämpft an der Seite Seehofers.
Ilse Aigner, 48, Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin. Die Zukunft der CSU und die inoffizielle Kronprinzessin von Horst Seehofer. Sie soll Seehofer bewiesen, dass sie es auch auf der großen Bühne kann. Gilt als Anhängerin von Schwarz-Rot. Sie versteht sich gut mit Merkel.
Ronald Pofalla, 54, Kanzleramtschef. Am Verhandlungstisch ist Pofalla Merkels Cheforganisator und notfalls auch Blitzableiter. Wenn die Kanzlerin in einem Konfliktthema nicht selbst in die Bresche springen will, reicht oft ein Blick zu Pofalla. Der 54-jährige Jurist übernimmt dann. Der Niederrheiner will die große Koalition, er schätzt ein stabiles Bündnis. Mit den Sozialdemokraten kann der Konservative aus einfachen Verhältnissen gut. Pofalla selbst will ein echtes Fachministerium leiten – vielleicht das Arbeits- oder ein neu zu schaffendes Energieministerium. In beiden Themengebieten kennt er sich aus.
Alexander Dobrindt, 43, CSU-Generalsekretär. Im Auftrag von Horst Seehofer gibt Dobrindt den treuen Vasallen und engagierten Kämpfer für bayerische Interessen. Er darf das sagen, was Seehofer sich verkneift. Daher wird er sicher nicht der beliebteste Politiker am Tisch sein. Der in Bayern erfolgreiche Wahlkampfstratege Dobrindt will selbst ein Ministerium übernehmen, wahrscheinlich das Verkehrsministerium. Der Soziologe und junge Vater ist in Wirklichkeit nicht so bärbeißig, wie er als General agieren muss. Daher hat er auch bei der SPD heimlich ein paar gute Freunde.
Gerda Hasselfeldt, 63, CSU-Landesgruppenvorsitzende. Die besonnene und beliebte CSU-Politikerin ist die erste Strippenzieherin der Christsozialen in der Bundespolitik, ihr verbindlicher und freundlicher Ton hat ihr auch bei CDU und SPD viele Freunde eingebracht. In der Sache kann Hasselfeldt allerdings hart verhandeln. Angela Merkel schätzt diese Art, vor allem weil die regierungserfahrene Politikerin (Hasselfeldt war Bau- und Gesundheitsministerin unter Helmut Kohl) Seehofers Ausschläge einzufangen vermag. Ihr persönliches Ziel: Sie muss die CSU-Landesgruppe in Berlin bei Laune halten und dafür gelegentlich Horst Seehofer Paroli bieten. Auch erwartet der eine oder andere aus ihrer Fraktion ein Ministeramt. Hasselfeldt selbst dürfte in der Fraktion bleiben.
Hans-Peter Friedrich, 56, Innenminister und derzeit auch geschäftsführender Landwirtschaftsminister, hat bereits eine „Garantie“ seines CSU-Parteichefs, einem neuen Kabinett anzugehören. Bei seinen Sicherheits-Themen kollidierte er oft mit der FDP, würde dies auch mit den Grünen tun, könnte sich mit der SPD schnell verständigen.
Peter Ramsauer, 59, Bau- und Verkehrsminister. Hat ein ausgesprochen „rot“ geprägtes Ministerium schnell umgebaut, stand aber zumeist im „Maut“-Schatten seines CSU-Vorsitzenden. Als Vize-Vorsitzender gehört er zum Sondierungsteam. Bei seinen Themen hat er die Verhandlungen mit den Counterparts von SPD und Grünen längst begonnen – durch die Vorbereitung einer Sondersitzung der Verkehrsministerkonferenz. Als Minister wackelt er aber. Angeblich will Horst Seehofer ihn ersetzen.
Barbara Stamm, 68, CSU-Landtagspräsidentin in München. Die stellvertretende CSU-Vorsitzende sieht die Sondierungsgespräche als „erste Orientierung und Abstimmung der Positionen“. Sie ist daran interessiert, dass die Delegationen in einer „unvoreingenommenen Atmosphäre“ zusammentreffen, da sich so das beste Ergebnis erzielen lasse. Stamm erhöht auf Unionsseite den Frauenanteil.
Volker Kauder, 64, Unions-Fraktionschef. Er hielt für Angela Merkel die große Koalition bereits mit dem damaligen SPD-Fraktionschef Peter Struck zusammen und hat daher ein feines Gespür dafür, was der eigenen Truppe zuzumuten ist und was mit der Sozialdemokratie erfahrungsgemäß „geht“. Er ist schon im Amt des wichtigen Mehrheitsbeschaffers, hält der Kanzlerin als enger Vertrauter den Rücken frei und hat daneben keine Ambitionen.
Hermann Gröhe, 52. Als Chef der CDU-Wahlkampfzentralegeht der Generalsekretär als Sieger an den Tisch. Gröhe hat die Ergebnisse ins Präsidium und in die CDU-Landesverbände zu vermitteln und deren Interessen mit einzubringen. Das sind starke Erwartungen, außerdem muss er die Grünen ernst nehmen, um so Koalitionsoptionen zu eröffnen. War schon als Staatsminister während der großen Koalition bis 2009 im Kanzleramt. Als junger Abgeordnete lotete Gröhe bereits Chancen für Schwarz-Grün aus, will jetzt aber zügig stabile Verhältnisse und könnte Kanzleramtsminister werden. Egal mit welchem Koalitionspartner.