Wahlkampf Der Dieselskandal setzt Angela Merkel unter Druck

Berlin · Während die Bundeskanzlerin sich in der Diesel-Debatte zurückhält, will die SPD will mit der Forderung nach einer Quote für Elektro-Autos punkten. Das Umweltbundesamt will das Dieselprivileg bei der Mineralölsteuer auf den Prüfstand setzen.

 Der Dieselskandal könnte Angela Merkel noch Kopfschmerzen bereiten (Symbolbild).

Der Dieselskandal könnte Angela Merkel noch Kopfschmerzen bereiten (Symbolbild).

Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

Der Skandal um den millionenfachen Abgasbetrug der Autoindustrie und das schwache Ergebnis des Dieselgipfels von Herstellern, Bund und Ländern in der vergangenen Woche bestimmt immer mehr den Bundestagswahlkampf. SPD-Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz legte nun einen Fünf-Punkte-Plan zur Zukunft der Automobilbranche vor, um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Zugzwang zu setzen. In dem Papier schlägt er unter anderem eine feste EU-Zulassungsquote für Elektroautos vor, damit sich deren bisher sehr spärlicher Marktanteil erhöht.

Merkel beendete am Freitag wie geplant ihren Sommerurlaub und nahm wieder erste Termine wahr. Für den Dieselgipfel am 2. August, bei dem lediglich Software-Updates für Dieselautos mit Euro-5- und Euro-6-Norm sowie Kaufprämien beschlossen worden waren, hatte Merkel ihre Ferien jedoch nicht unterbrochen. Nach Einschätzung von Politikwissenschaftlern hat sich das zuletzt auch in ihren Beliebtheitswerten niedergeschlagen, auch weil nun bundesweit Fahrverbote für Dieselfahrzeuge drohen. Im ARD-"Deutschlandtrend" rutschte Merkel in dieser Woche um zehn Prozentpunkte ab, aber auch Schulz büßte wie fast alle Spitzenpolitiker an Zustimmung ein.

Die SPD will sich daher mit Lösungsvorschlägen im Dieselskandal profilieren und ihren Rückstand von gut 15 Punkten (rund 40 zu 25 Prozent) auf die Union wettmachen. Schulz betonte, eine verbindliche Mindestzahl von E-Autos werde ein Anreiz für die Industrie sein. "Diejenigen, die dann am schnellsten in der Produktion und Entwicklung sind, werden diejenigen sein, die diesen Markt für sich erobern", sagte er. Die Quote solle nicht für die Autobauer gelten, sondern für Neuzulassungen, erläuterte Schulz seinen Vorschlag. Der Staat müsse einen E-Auto-Anteil festlegen, etwa bezogen auf die Einwohnerzahl. Eine konkrete Zahl nannte Schulz aber nicht.

Die Grünen reagierten positiv auf den Vorstoß. "Ich freue mich, dass die SPD aus ihrem Tiefschlaf zur Zukunft der Autoindustrie endlich aufgewacht ist", sagte Parteichef und Spitzenkandidat Cem Özdemir . Die Union träume währenddessen weiter von klimaschädlichen Verbrennungsmotoren. "Dabei ist längst klar, dass der fossile Verbrennungsmotor auf Dauer keine Zukunft hat", sagte Özdemir. "Wir brauchen zügig eine Zukunftskommission saubere Mobilität, um die Transformation der Automobilwirtschaft gemeinsam anzupacken", forderte der Grünen-Chef. Es gehe um verlässliche Rahmenbedingungen und intelligente Anreize, die den Umstieg auf emissionsfreie Mobilität bis 2030 voranbrächten. Einer E-Auto-Quote steht die Ökopartei jedoch skeptisch gegenüber.

Dennoch haben SPD und Grüne das Thema für sich im Wahlkampf entdeckt - und das, obwohl in Niedersachsen die rot-grüne Landesregierung mit Stephan Weil (SPD) an der Spitze vor allem in Sachen Dieselskandal unter Beschuss steht. Rückendeckung erhalten sie von der IG-Metall, deren Vorsitzender Jörg Hofmann eine Debatte um einen Strukturwandel und die Sicherung von Arbeitsplätzen begrüßte.

Regierung hält sich noch zurück

Tatsächlich könnten sich also SPD und Grüne beim Thema Diesel im Wahlkampf von der Union abgrenzen. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Freitag mit, die Kanzlerin lege sich in der Debatte um eine E-Auto-Quote noch nicht fest. Jeder Vorschlag, der mehr Dynamik beim Ausbau der E-Mobilität zum Ziel habe, sei "erst einmal willkommen", sagte Seibert. "Auch wenn ich für die Bundesregierung solch eine Forderung nicht vorbringe." Am Ziel, bis 2020 eine Million E-Autos auf die Straßen zu bringen, halte man fest.

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) lehnte eine Quote dagegen klar ab, ebenso wie der Automobilverband VDA. Die FDP sprach von "Planwirtschaft". Das Bundesumweltministerium erklärte, man gehe davon aus, dass die EU-Kommission im Zuge ihrer Vorschläge zur Begrenzung des Kohlendioxid-Ausstoßes selbst eine Quote vorschlagen werde. Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte allerdings vor einigen Tagen gesagt, Quoten für E-Autos seien nicht vorgesehen, da man andere umweltfreundliche Technologien nicht diskriminieren wolle.

Unterdessen forderte die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, die Abschaffung des Dieselprivilegs bei der Mineralölsteuer zu prüfen. "Das Dieselprivileg bei der Mineralölsteuer muss auf den Prüfstand", sagte Krautzberger unserer Redaktion. "Dieselfahrer zahlen pro Liter Kraftstoff 18,4 Cent weniger als Benzin — den Staat kostet diese Subventionierung mittlerweile 7,8 Milliarden Euro pro Jahr, gut dreieinhalb Milliarden davon für die Pkw-Nutzung", rechnete Krautzberger vor.

Selbst bei Abzug der höheren Kfz-Steuern für Diesel-Autos seien das rund eineinhalb Milliarden Euro vom Staat für die Selbstzünder pro Jahr. "Zum Vergleich: Die Förderung für Elektromobilität beträgt knapp eine Milliarde — aber bis 2020", sagte die UBA-Chefin. Eine feste Quote für Elektroautos auf EU-Ebene, wie sie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert, halte sie für sinnvoll, sagte Krautzberger.

(dre / flr)
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