Ministerin Schavan weiter unter Druck Doktorvater hält Arbeit für "beachtlich"

Berlin · Das Urteil über die Arbeit von Annette Schavan fiel 1980 eindeutig aus. Mit "magna cum laude" (sehr gut) hatte der Erziehungswissenschaftler Gerhard Wehle die Dissertation mit dem Titel "Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung" bewertet. Der Zweitgutachter der Universität Düsseldorf schloss sich dieser Bewertung an.

32 Jahre später steht die Arbeit der inzwischen zur Bundesbildungsministerin aufgestiegenen CDU-Politikerin als mögliches Plagiat im Mittelpunkt einer innenpolitischen Auseinandersetzung. Es geht um die Karriere einer engen Merkel-Vertrauten.

Gerhard Wehle versteht die Aufregung nicht. Die Dissertation sei eine "sehr beachtliche Leistung" gewesen, sagt Wehle, heute 88 Jahre alt, im Gespräch mit unserer Zeitung. "Die Arbeit entsprach damals absolut dem wissenschaftlichen Standard."

Die Dissertation habe auf "gelungene Weise die Gewissensbildung mit Methoden aus der Erziehungswissenschaft und der Moraltheologie analysiert". Dieser interdisziplinäre Ansatz, heute Alltag in der Wissenschaft, sei damals für junge Promotionsstudenten ein "Wagnis" gewesen, sagt Wehle.

Dass Annette Schavan vorsätzlich getäuscht habe, kann sich der Pädagogikprofessor nicht vorstellen. "Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen schreiben und dabei täuschen?", fragt er. Er habe Schavan als "ehrlichen Menschen" kennengelernt.

Dass sich Zitierfehler in der Dissertation befänden, überrascht den Wissenschaftler nicht. Schavan habe mit einem Zettelkasten gearbeitet, Internet habe es damals nicht gegeben, selbst Fotokopien waren kaum möglich. Meist mussten sich die Doktoranden die wichtigen Passagen aus ausgeliehenen Büchern in einem Zettelkasten notieren. "Das ist natürlich fehleranfällig." Man könne aber nicht eine Doktorarbeit von 1980 nach den heutigen Maßstäben bewerten, kritisiert Wehle.

Das Gutachten der Universität Düsseldorf, das Schavan eine "plagiierende Verhaltensweise" vorwirft, kennt der im Ruhrgebiet lebende emeritierte Wissenschaftler nicht. Die Universität hat ihn bisher nicht um eine Stellungnahme gebeten. Ob Schavan die Affäre politisch übersteht, will Wehle nicht prognostizieren.

(brö)
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