Recep Tayyip Erdogan in der Kölnarena Ein Staatschef wie ein Popstar

Köln (RPO). Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat in Köln vor 16.000 seiner Landsleute gesprochen. In der Stadt herrschte zeitweise Verkehrschaos. Aus ganz Europa kamen Türken, um Erdogan zu hören. Schauplatz der Erdogan-Show: die Kölnarena. Dort spielen sonst Popstars wie Rihanna oder Madonna.

2008: Erdogans große Show in der Kölnarena
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2008: Erdogans große Show in der Kölnarena

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Die Anhänger Erdogans kommen mit Bussen aus ganz Deutschland sowie dem benachbarten Ausland. Zuvor wurden in Nordrhein-Westfalen hauptsächlich in Stadtvierteln mit überwiegend türkischer Bevölkerung plakatiert und Handzettel verteilt. Die Plakate zeigen unter anderem eine deutsche Flagge, die mit dem türkischen Halbmond versehen wurde.

Am Sonntag strömen sie in die Domstadt. Die Straßen sind verstopft, die Veranstaltung beginnt mit Verspätung. Mehrere Hundertschaften der Polizei sind unterwegs, berichten die Radiosender. Die Stimmung ist nach dem Brand in Ludwigshafen angespannt. Außerdem sind auch etliche Kurden gekommen, um zu demonstrieren. Lautstark beschimpfen sie und die Türken sich. Schlimmeres verhindert die Polizei.

In der Halle haben sich tausende versammelt. Die Zahlen schwanken zwischen 15.000 und 20.000 Menschen. Die Die türkische Nationalhymne wird gespielt. Dann aber geht es nach offizieller Lesart um die Türkei, ihre Rolle in Europa, die Reformpolitik. Aber es geht auch um Stimmen. Kritiker werfen Erdogan vor, mit staatlichen Geldern Wahlkampf zu betreiben. In Zukunft können im Ausland lebende Türken mit Briefwahl an den türkischen Parlamentswahlen teilnehmen.

PR-Show

Sein Auftritt ist eine große PR-Show. Erdogan macht seinen Landsleuten Mut, ihre Integrationsbemühungen in Deutschland zu verstärken. An erster Stelle stehe das Erlernen der deutschen Sprache. Sie sollen ihre Chancen in Deutschland nutzen. Aber - und auch das wird deutlich - sie sollen dabei Türken bleiben. Er bestärkt seine Landsleute, ihrer Kultur treu zu bleiben.

Erdogan formuliert das auf eine etwas akademische Art und Weise. Integration dürfe nicht mit Assimilation gleichgesetzt werden, sagt er. Assimilation sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies könne niemand von den im Ausland lebenden Türken verlangen. Aufgehen in einer deutschen Gesellschaft - das kommt für den Ministerpräsidenten nicht in Frage. Türken in Deutschland - für ihn eine Bereicherung durch eine andere Kultur.

Schon bei seinem Besuch bei Angela Merkel hatte er eine derartige Marschroute vorgegeben, nach der Integration nicht Verschmelzen zu einer Einheit, sondern ein Miteinander von vielen bedeutet. Das Türkische gehört in Deutschland demnach zur sozialen Realität. Erdogan: "Wir dürfen uns nicht als Fremde betrachten, sondern müssen uns als wesentliches Element dieses Landes sehen."

Ludwigshafen

Bei der Brandkatastrophe in Ludwigshafen forderte Erdogan eine rasche Aufklärung: Nur so könnten die Türken, aber auch die Deutschen wieder Frieden im Herzen finden. Bei dem Brand in einem Ludwigshafener Wohnhaus waren am vergangenen Sonntag neun Türken ums Leben gekommen.

Erneut bekräftigte Erdogan auch seine Forderungen nach einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU. "Es kann keine andere Alternative geben", sagte er. Die Beitrittsbemühungen, um vor allem den EU-Standard auf dem Gebiet der Menschen- und Freiheitsrechte zu erreichen, würden unvermindert fortgesetzt.

Zu einer Vollmitgliedschaft gebe es keine Alternative. Er appellierte: "Bitte verzögert diese Angelegenheit nicht mit fadenscheinigen Einwänden." Gleichzeitig sagte Erdogan, die EU solle zu einem Beispiel für die Brüderlichkeit der Zivilisationen werden. Die Türkei könne als Teil der islamischen Welt dazu beitragen. Zudem sollten die Verantwortlichen in der EU bedenken, dass es bereits heute rund fünf Millionen Türken in Europa gebe.

Gespräch mit Schramma

Vor seiner Rede in der Kölnarena war Erdogan mit Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) zusammengekommen. Dabei sicherte er Schramma seine Unterstützung für den geplanten Bau eines christlichen Pilgerzentrums im südtürkischen Tarsus zu, dem Geburtsort des Apostels Paulus. "Sobald die Kirche mit diesem Wunsch auf mich zukommt, werde ich mich dafür aussprechen - auch gegen meine Opposition", betonte Erdogan.

Schramma hatte dem türkischen Premier dieses Anliegen vorgetragen, für das sich der Kölner Kardinal Joachim Meisner einsetzt. Gleichzeitig bedankte sich Erdogan für Schrammas Unterstützung beim geplanten Bau einer Großmoschee im Stadtteil Ehrenfeld.

Die Veranstaltung in der Kölnarena wurde von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) organisiert. Sie steht Erdogans Partei, der islamisch-konservativen AKP, nah.

(afp)
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