Erste öffentliche Rede seit der Anklage Ein strahlender Wulff gibt den Staatsmann

Hannover · Christian Wulff ist zurück. Locker, entspannt und gut vorbereitet versucht er sich am Freitag, auf der politischen Bühne zurückzumelden. Beim ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Anklage wegen Korruption setzt er sich in Hannover als Weltpolitiker und Japan-Kenner in Szene.

Mai 2013: Wulffs Wiederauferstehung als Staatsmann
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Nach einem Jahr der Niederlagen und Demütigungen, politisch wie privat, spricht er bei der Jahrestagung des Verbandes Deutsch-Japanischer Gesellschaften vor einem ihm gewogenen Publikum. Einen "Freund Japans" nennt ihn der eigens angereiste Vize-Außenminister Minoru Kiuchi in lupenreinem Deutsch. Bei den Söhnen und Töchtern Nippons genieße Wulff hohe Wertschätzung.

Bei seinen Gehversuchen im Lichte der Scheinwerfer findet der Ex-Bundespräsident in Hannovers Rathaus schnell die Pose des Staatsmanns wieder. Es geht ihm beim deutsch-japanischen Verhältnis um eine Herzensangelegenheit, betont er gleich bei der Ankunft. Von Beginn an sucht er den großen Auftritt, lässt sich in einer dunklen Limousine vor den Eingang des wilhelminischen Prachtbaus vorfahren. Korrekt sitzender dunkler Anzug, silbergraues Haar, strahlender Blick - die gewohnte Brille auf der Nase fehlt diesmal.

Kameraleute, Fotografen und Reporter drängen sich, um Wulffs Ankunft live zu erleben - selten dürfte sich eine Tagung des Verbands eines so großen Medieninteresses erfreut haben. Jedes Wort wägt Wulff ab in seiner Rede. Auffällig ist, wie er immer wieder Sätze in seine Rede einflicht, die man auch auf ihn beziehen kann. "Man erlebt Wertschätzung", sagt er mit Blick auf Japan. "Es begegnet einem dort Sympathie". Er spricht für Deutschland. Doch auch ihm tut die demonstrative Wertschätzung der Japaner sichtbar gut. Lässig aufs Pult gestützt oder auch leger mit einer Hand in der Hosentasche analysiert er Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ländern.

Die Rede wirkt wie ein Befreiungsschlag

Dazwischen zitiert er auch schon mal das japanische Sprichwort "Auf ein Dach noch ein Dach drauf setzen" - die japanische Version von "Eulen nach Athen tragen"; das wolle er natürlich nicht, auch wenn sich bei beiden Ländern Gemeinsamkeiten aufdrängten. Die Kameraverschlüsse der zahlreichen Fotografen klicken im Stakkato, als er gestenreich seine Worte zu unterstreichen sucht. Kein Wort über seine Affäre, keine direkten Vorwürfe an die Medien - höchstens mal ein augenzwinkernder Seitenhieb. Wulffs Rede wirkt wie ein Befreiungsschlag im Kampf um Rehabilitierung und berufliche Zukunft.

Seit seinem Rücktritt als Bundespräsident am 17. Februar 2012 hat er sich zurückgehalten mit öffentlichen Auftritten. Damals waren Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorteilsnahme gegen ihn eingeleitet worden. Ein Vortrag im November 2012 in Heidelberg, ein Auftritt in Südkorea - das war's schon. Ansonsten wurde Wulff gelegentlich auf den Rängen des heimischen Fußballstadions in Hannover oder anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen gesichtet. Als Besucher, der öffentliches Aufsehen zu meiden suchte.

Dass er nicht mehr die Bedeutung hat, die er einst als Präsident hatte, macht Vize-Außenminister Kiuchi unbewusst deutlich. Durch die Rede des Überraschungsgastes aus Tokio verschiebt sich Wulffs Referat; für eine Diskussion mit ihm ist dann vor der Pause keine Zeit mehr. Dafür droht ein Wald von Mikrofonen. Wie es ihm gehe, welche Pläne er habe, wird er gefragt. Gut, beteuert er: "Ich kann nicht klagen über vielfältige Einladungen." Und das Verfahren? Die Medien hätten breit berichtet, sie sollten nun die Justiz ihre Arbeit machen lassen. Dann setzt er doch noch nach: "Ich freue mich, wenn das Verfahren abgeschlossen ist."

(dpa/felt/nbe/ac)
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