Kolumne Frauensache Eine Frauenquote für Straßennamen?

Berlin · Im Streit um die Berliner Moses-Mendelssohn-Straße wird der ganze Irrwitz des übertriebenen Feminismus offenbar: Mit gelebter Gleichberechtigung hat er nichts mehr zu tun.

 Unsere Autorin Dagmar Rosenfeld.

Unsere Autorin Dagmar Rosenfeld.

Foto: Phil Ninh

Feminismus ist wie Currywurst — er verursacht Völlegefühl. Zumindest manchmal. Ich meine das Gefühl, vollgestopft zu werden mit politisch überkorrektem, krampfhaft gleichberechtigtem und doch nur rein symbolischem Aktionismus. Kurz: mit Schwachsinn, der als Dienst an der Gleichberechtigung verkauft wird.

Mein neuestes Lieblingsbeispiel hierfür ist die Namensgebung eines Platzes vor der Akademie des Jüdischen Museums in Berlin. Der Stiftungsrat schlug vor, ihn "Moses-Mendelssohn-Platz" zu nennen. Mendelssohn war der wohl berühmteste Jude des 18. Jahrhunderts, ein Aufklärer und Feind des Orthodoxen, dessen Namen die Nazis in der deutschen Öffentlichkeit vergessen machen wollten. Der jetzige Wunsch des Jüdischen Stiftungsrats ist ebenso verständlich wie sinnvoll — für die zuständigen Bezirksverordneten aber ein Problem. Wegen der Frauenquote. Die dort regierenden Grünen haben nämlich beschlossen, Straßen und Plätze so lange nur nach Frauen zu benennen, bis eine Quote von 50 Prozent erreicht ist.

Mal abgesehen davon, dass bei der Rudi-Dutschke-Straße ebenso wie bei der Silvio-Meier-Straße (Meier war ein Hausbesetzer, der von Neonazis ermordet wurde) Ausnahmen von dieser Regel gemacht wurden, ist eine Quote im Straßenbild absurd. Mit gelebter Gleichberechtigung hat sie jedenfalls nichts zu tun. Denn was nützen 50 Prozent weiblicher Straßennamen, wenn zum Beispiel Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten weiterhin in der Minderheit sind?

Solche unsinnigen, verbissen geführten Stellvertreterkämpfe sind der Grund, warum sich vielen die Fußnägel hochrollen, wenn sie das Wort "Quote" im Zusammenhang mit "Frau" hören. Der Kampf für Gleichberechtigung auf allen gesellschaftlichen Ebenen, auch "Gender Mainstreaming" genannt, droht sich lächerlich zu machen. Wenn etwa amerikanische Historikerinnen im Zuge einer feministischen Geschichtsschreibung fordern, "History" durch "Herstory" zu ersetzen ("his" bedeutet "sein", "her" bedeutet "ihr"). Oder wenn das Projekt "Bibel in gerechter Sprache" das Vaterunser frauenpolitisch korrekt überarbeitet in "Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel ...". Anstatt Geschichte umzuschreiben, sollten Frauen die Chance nutzen, endlich Geschichte zu machen. Dazu ist die Namensgebung für Gott und für Straßen ähnlich bedeutend wie die Reissäckin, die in China umfällt.

In Berlin hat es jetzt eine Einigung bei der Platzbenennung gegeben. Er wird nach dem Ehepaar Mendelssohn heißen: "Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz". Da ist es wieder, das Currywurst-Gefühl.

(RP/csi)
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