Martin Schulz beim SPD-Parteitag Eine Rede gegen die Wand

Meinung · Martin Schulz stand unter Druck, wieder einmal. Er wusste, welche Wirkung er mit seiner Rede beim SPD-Sonderparteitag in Bonn erzielen musste: Als Parteichef möglichst viele unentschlossene Delegierte von einer Zustimmung für Koalitionsverhandlungen mit der Union zu überzeugen.

 SPD-Chef Martin Schulz verlässt das Redner-Pult.

SPD-Chef Martin Schulz verlässt das Redner-Pult.

Foto: dpa, ve axs

Und das war schwer. Als Martin Schulz ans Mikrofon trat, war der Ablauf des Parteitags schon ein wenig in Verzug geraten, Schulz sollte dazu weiter beitragen. In seiner über einstündigen Rede - geplant waren 45 Minuten - gelang es Schulz zumindest, die Sondierungserfolge seiner Partei kämpferisch herauszustellen.

Und aus der Perspektive vieler SPD-Anhänger lassen die sich ja durchaus sehen: Grundrente, Entlastungen für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, mehr Geld für Bildung, mehr Programme gegen Kinderarmut und so weiter.

Schulz spricht mit Herzblut, als es um Europa geht. Er warnt vor der "rechten Welle" auf dem Kontinent, meint Italien, Frankreich, die Niederlande und andere. Und er sagt, diese Welle könne eine deutsche Bundesregierung stoppen, wenn die SPD sich beteiligen würde. An dieser Stelle bekommt er viel Applaus von den Delegierten.

Magerer Zwischenapplaus

Allerdings ist dieser Moment eine Ausnahme. Schulz gelingt es an diesem Vormittag selten, den Saal für sich zu gewinnen. Der Zwischenapplaus fällt mager aus. Schulz verweist auf die Punkte aus einem Änderungsantrag von NRW, Hessen und Niedersachsen. Darin waren noch wesentliche Änderungen für Härtefallregelungen beim Familiennachzug, eine Honorarangleichung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung und ein Ende der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen gefordert worden.

Doch er kann nicht vermelden, dass diese Nachbesserungen zu einer Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen geworden sind - für viele Kritiker wäre das eine wichtige Brücke zur Zustimmung gewesen. Auch sagt er nicht, dass er auf ein Ministeramt verzichten und sich ausschließlich der Erneuerung seiner Partei widmen würde. Das vermissen manche.

Erst zum Ende dreht Schulz noch einmal auf, rundet die insgesamt ordentliche Rede gut ab, indem er an die Verantwortung der Genossen appelliert, die man für die Menschen und die Verbesserung ihres Lebens habe.

Feurige Gegenreden

Doch im World Conference Center der ehemaligen Bundeshauptstadt machen sich schnell Zweifel breit, ob das nun die Ruckrede war, geeignet um das Ziel der SPD-Führung zu erreichen. Delegierte, die zuvor optimistisch waren, dass man eine Mehrheit für Koalitionsverhandlungen mit der Union erreichen könnte, sind nun zurückhaltender.

Für die Mitglieder der SPD-Spitze bedeutet das, sie müssen bis zur Abstimmung beim Parteitag kämpfen, ringen und zittern. Denn die Gegenreden, abgefeuert von Juso-Chef Kevin Kühnert oder Berlins Juso-Landeschefin Annika Klose erhalten frenetischen Applaus. Ausgemacht ist jedenfalls noch nichts, auch wenn es durchaus gute Chancen für eine knappe Zustimmung gibt.

(jd)
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