Elisabeth Noelle Neumann ist tot Eine wahre Persönlichkeit mit Diva-Format

Düsseldorf (RP). Elisabeth Noelle-Neumann war eine wahre Lady, eine der beeindruckenden Persönlichkeiten der Bundesrepublik: vornehm von Geist und Erscheinung, streng, gelehrt und diszipliniert. Menschen, die sich gehen ließen, waren ihr ein Gräuel, sie traten ihr am besten nicht unter die Augen.

Die Theorie der Schweigespirale
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Foto: ddp

"Nur wenn sie richtig leben, keine Zeit vertrödeln, aktiv sind, ist das Alter wunderbar. Man wird dann wacher, sieht und versteht mehr. Sonst ist es grausam.”

Als Elisabeth Noelle-Neumann, die Gründerin und jahrzehntelange Repräsentantin des Instituts für Demoskopie in Allensbach am Bodensee, das sagte, war sie 89 und intellektuell rege wie eh und je. Am Donnerstag ist die Grande Dame der Meinungsforschung im Alter von 93 Jahren gestorben.

Die zweimal verwitwete, promovierte und habilitierte Zeitungswissenschaftlerin mit Lehrjahren in den USA, in Japan, China und dem Vorderen Orient wuchs als Berliner Fabrikbesitzerstochter auf. Der Vater war Jurist, in der Familie gab es Künstler.

Das 1947 von ihr und ihrem ersten Mann, einem 1973 verstorbenen CDU-Bundestagsabgeordneten, gegründete Institut in Allensbach wuchs zu einer angesehenen Adresse zum Erforschen, Erfragen, Erspüren dessen heran, was die Deutschen politisch, parteipolitisch, gesellschaftlich bewegt.

Noelle-Neumann und ihr Unternehmen wurden respektiert, die Verehrung beider hing jedoch stark von politisch-persönlichen Präferenzen ab. CDU-Granden (Adenauer lud sie zu Teegesprächen, für Kohl hatte sie ein Faible, weil er "fabelhaft prognostizierte”) beklagten sich seltener über Arbeitsweise und Vorwahl-Prognosen von "Allensbach”, als dies sozialdemokratische Würdenträger taten.

In den Hitler-Jahren war sie journalistisch tätig, aber bald nicht mehr gelitten. Auf Weisung des obersten Nazi-Propagandisten Goebbels wurde die bis zur Überheblichkeit selbstbewusste Persönlichkeit mit Diva-Format als Redakteurin von "Das Reich” entlassen.

Ihr Lebensmotto klang nach "Nie aufhören anzufangen, nie anfangen aufzuhören”. Nachdem die Witwe in zweiter Ehe mit dem berühmten Physiker Heinz Maier-Leibnitz (gestorben: 2000) verheiratet war und sich so stolz wie selbstverständlich Professorin Dr. Elisabeth Noelle-Neuman-Maier-Leibnitz nannte, beschäftigte sie sich neugierig mit den Naturwissenschaften.

Autorinnen-Ruhm errang sie mit ihrem Demoskopie-Bestseller "Die Schweigespirale”. Nach dieser Theorie machen viele Menschen ihre Meinungsbildung von massenhaft wahrgenommenen Mehrheitsmeinungen abhängig. "Allensbach”, ihr Lebenswerk, wusste sie seit mehr als 20 Jahren in guten Händen bei Renate Köcher, der Geschäftsführerin.

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