Verhandlungen zur Großen Koalition Schlussrunde: Der finanzielle Spielraum ist begrenzt

Berlin · Union und SPD haben bei den Koalitionsverhandlungen eines der strittigsten Themen aus dem Weg geräumt. Die Union konnte derweil eine weitere Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung durchsetzen. Einen Dämpfer gab es aber dennoch für die Parteien.

Verhandlungen zur Großen Koalition: Schlussrunde: Der finanzielle Spielraum ist begrenzt
Foto: dpa, Jens Büttner

Die Unterhändler beider Parteien einigten sich schon in der Nacht zu Dienstag unter bestimmten Bedingungen auf die Einführung einer Pkw-Maut für Ausländer. "Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unserers Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen Pkw erheben (Vignette) mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird", heißt es nun im aktuellsten Entwurf für den Koalitionsvertrag, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt werden soll. Außerdem müsse die Ausgestaltung "EU-rechtskonform" erfolgen, heißt es. Ein entsprechendes Gesetz soll im Verlaufe des Jahres 2014 verabschiedet werden und 2015 in Kraft treten.

Damit liegen die Hürden für die Einführung einer Pkw-Maut allerdings sehr hoch. Die Maut muss demnach "zusätzliche" Einnahmen für die Staatskasse gewährleisten, also dürfen etwa die Verwaltungskosten die Einnahmen nicht übersteigen. Außerdem muss garantiert werden, dass jeder Halter eines Fahrzeugs in Deutschland nicht zusätzlich belastet wird und die EU-Kommission muss dem deutschen Gesetz zustimmen. In der Praxis dürfte das schwer umzusetzen sein. Bei einer Vignette von 100 Euro jährlich, diese Größenordnung wird diskutiert, müssten Halter von Kleinwagen, die weniger als 100 Euro Kfz-Steuern pro Jahr zahlen, kompensiert werden.

CSU setzt Willen durch

Zwar hatte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas im Wahlkampf grundsätzlich eine Maut in Deutschland als möglich bezeichnet, allerdings eine gesetzliche Verknüpfung der Pkw-Maut mit einer Entlastung deutscher Autofahrer über die Kfz-Steuer kritisch bewertet.

Vor allem die CSU dringt seit Monaten auf die Einführung einer Pkw-Vignette für ausländische Autofahrer. SPD und CDU-Kanzlerin Angela Merkel lehnen dies ab. Merkel hatte eine Belastung deutscher Autofahrer im Wahlkampf ausgeschlossen, der Automobilclub ADAC läuft seit Wochen Sturm gegen die Maut-Pläne.

Beim CSU-Parteitag am vergangenen Wochenende hatte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der als künftiger Verkehrsminister gehandelt wird, erklärt, dass die CSU keinen Koalitionsvertrag unterschreiben werde, in dem diese Frage nicht geklärt sei. "Es braucht sich niemand der Illusion hingeben, dass man mit einem Prüfauftrag davonkommt", sagte Dobrindt.

Haushalt

Die Union hat derweil eine weitere Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung durchgesetzt. Die künftige Koalition will demnach jedes Bundesministerium verpflichten, alle neuen Ausgaben von bis zu zehn Millionen Euro in der neuen Legislaturperiode im jeweiligen Ressort gegen zu finanzieren.

"Alle Maßnahmen von bis zu zehn Millionen Euro, die in diesem Koalitionsvertrag vereinbart werden, sind von den jeweiligen Ressorts eigenverantwortlich im Rahmen ihrer jeweiligen Einzeletats zu finanzieren", heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrags. Ab 2015 soll der Bund laut Koalitionsvertrag keine neuen Schulden mehr machen. Zudem schließt Schwarz-Rot Steuererhöhungen aus. Die SPD hat auch Forderungen zum Abbau von Steuervergünstigungen für Unternehmen nicht durchsetzen können.

Dadurch war den Unterhändlern von Union und SPD bei den Schlussverhandlungen in der Nacht ein äußerst enger Finanzrahmen gesetzt. Unionsfraktionsvize Michael Meister bezifferte den Spielraum für Mehrausgaben in der gesamten Legislaturperiode auf "weniger als 15 Milliarden Euro". In den Jahren 2014 und 2015 gebe es nur Raum für "kleinere Beträge". Das Thema Finanzierung war daher in der Schlussrunde neben der Rente der größte Knackpunkt.

Die ursprünglich geplante Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms der KfW auf zwei Milliarden Euro pro Jahr wurde schon im Vorfeld der Schlussrunde gestrichen. Auch der Steuerbonus für Investitionen in die energetische Gebäudesanierung wird nicht kommen — ebenso wie weitere kostspielige Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen für Unternehmen und Bauherren.

Kernbrennstoff-Steuer

Die SPD hat unterdessen ihre Forderung nach einer Entfristung der Kernbrennstoff-Steuer fallen gelassen. Im dritten Entwurf des Koalitionsvertrages ist die Forderung nicht mehr enthalten. Ebenso hat die SPD die Forderung nach einem öffentlich-rechtlichen Fonds für den Abriss der Atommeiler fallen lassen, in den die Konzerne ihre Milliarden-Rückstellungen überweisen sollen.

Stattdessen heißt es nun im dritten Entwurf des Koalitionsvertrages: "Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden. Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen."

Homo-Ehe

Die SPD hat sich mit der Forderung, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften im Adoptionsrecht vollständig mit der Ehe gleichzustellen, offenbar nicht durchsetzen können. In der jüngsten dritten Fassung des Entwurfs für den Koalitionsvertrag von Union und SPD ist der entsprechende, von der SPD geforderte Satz nicht mehr enthalten. Im vorherigen Entwurf hatte es im Kapitel Familie beim Unterpunkt "Adoption" noch geheißen: "Lebenspartnerschaften werden bei Adoptionen Ehepaaren gleichgestellt." Dieser Satz wurde jetzt auf Druck der Unionsparteien gestrichen.

Dafür es heißt nun an anderer Stelle: "Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden." Weiter heißt es: "Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen." Dies ist ein Formelkompromiss mi Blick auf ein weiteres Verfassungsurteil. Beide Seiten gehen davon aus, dass das Karlsruher Gericht die Schlechterstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspaare auch bei Adoptionen kippen wird.

"Sehr ernste" Stimmung

Am Abend kam dann heraus, dass die geplante große Koalitionsrunde von Union und SPD vorerst nicht zusammenkommt. Es tage zunächst weiter die kleine Verhandlungsrunde der Parteispitzen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen.

Es gehe um den Streit über Renten, Finanzen und Mindestlohn - die Stimmung sei "sehr ernst". Daher tagen nun Union und SPD zunächst getrennt. Statt der geplanten großen Runde der 77 Verhandler soll danach erneut die kleine, 15-köpfige Runde tagen, um Kompromisslinien zu finden. Alle Beteiligten hielten sich in Bereitschaft, hieß es aus Verhandlungskreisen.

Ob es noch später zur eigentlich geplanten finalen großen Runde kommt, war zunächst unklar. Allerdings gibt nach SPD-Angaben wenig Puffer nach hinten, da noch diese Woche der SPD-Mitgliederentscheid über einen möglichen Koalitionsvertrag anlaufen soll. Der Vertrag soll per Sonderausgabe der SPD-Zeitung "Vorwärts" an alle 475.000 Mitglieder geschickt werden, die dann bis 12. Dezember abstimmen.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort