Allensbach-Gründerin Elisabeth Noelle-Neumann ist gestorben

Die Theorie der Schweigespirale
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Foto: ddp

Berlin (RPO). Die Gründerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, Elisabeth Noelle-Neumann, ist im Alter von 93 Jahren gestorben. 1947 gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Erich Peter Neumann das Institut für Demoskopie Allensbach als erstes deutsches Meinungsforschungsinstitut. Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Institut zu einem Begriff für Wirtschaft, Politik und Publizistik - vor allem durch die in Deutschland neue Methode der Repräsentativumfragen.

Noelle-Neumann starb am Donnerstag im Alter von 93 Jahren in ihrem Haus in Allensbach am Bodensee, wie das Institut mitteilte. Die "Grande Dame der Demoskopie" gründete das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut, baute das Institut für Publizistik an der Mainzer Universität auf und machte es zu einem Zentrum empirisch-analytischer Medienforschung in Deutschland.

Noelle-Neumann sei mittags gegen 13.30 Uhr in ihrem Haus in Allensbach gestorben, sagte die Leiterin des Berliner Büros des Instituts, Sylvia Horst. Sie bestätigte damit einen Bericht des Konstanzer "Südkurier".

Die auch als "Pythia vom Bodensee" bezeichnete Demoskopin, die nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes nur noch ihren Mädchennamen Noelle verwandte, gilt als Wegbereiterin der Meinungsforschung in Deutschland. Mit ihrem Namen untrennbar verbunden ist das von ihr gegründete Institut für Demoskopie.

Neben der Frage nach der Wirkung der Medien stand für die Wissenschaftlerin die eher theoretische Beschäftigung mit öffentlicher Meinung und sozialer Kontrolle im Zentrum ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Eng verbunden ist dieses Interesse mit einem konkreten historischen Ereignis: der Bundestagswahl 1965.

Damals kam es nach ersten Meinungsumfragen, die einen Sieg der SPD erwarten ließen, in letzter Minute zu einem Stimmungsumschwung für die CDU/CSU, was die gern als "Pythia vom Bodensee" bezeichnete Demoskopin 15 Jahre später mit ihrer Theorie der "Schweigespirale" zu erklären suchte: Menschen nehmen aufmerksam alle Signale aus ihrer Umwelt wahr, wozu auch die Medien gehören. Dabei erfahren sie, welche Meinungen eher akzeptiert werden als andere. Aus Angst, sich zu isolieren, verzichten sie unbewusst auf die Äußerung von Minderheitsmeinungen. "Ein Spiralprozeß setzt ein, der dazu führt, dass das eine Meinungslager immer lauter und selbstbewusster wird und das andere mehr und mehr verstummt."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die verstorbene Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann als treibende Kraft der Demoskopie in Deutschland gewürdigt. Mit ihrem Wirken habe Noelle-Neumann entscheidend zu politischen und gesellschaftlichen Debatten beigetragen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Dies habe oft Maßstäbe zurechtgerückt und öffentliche Diskussionen versachlicht.

Der Leiter der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, würdigte Noelle-Neumanns Pionierarbeit: "Natürlich hat es eine Reihe von methodischen Differenzen zu dem gegeben, was Elisabeth Noelle-Neumann getan hat, aber Frau Noelle-Neumann hat ohne Zweifel zu den ganz Großen ihres Fachs in Deutschland und der westlichen Welt gehört", sagte er dem "Mannheimer Morgen" (Freitagausgabe).

Institut für Publizistik aufgebaut

Nach ihrem Schulbesuch in Berlin und im Internat Schloss Salem studierte Noelle ab 1935 Geschichte, Philosophie, Zeitungswissenschaften und Amerikakunde. Von 1937 bis 1938 studierte sie in den USA, wo sie die von George Gallup entwickelte Methode der repräsentativen Meinungsumfragen kennenlernte. 1939 schrieb sie darüber in Berlin ihre Dissertation. 1946 heiratete sie den Journalisten und späteren CDU-Bundestagsabgeordneten Erich Peter Neumann und nahm den Doppelnamen Noelle-Neumann an. Zusammen mit ihm gründete sie 1947 das Institut für Demoskopie Allensbach, das sie bis zu ihrem Tod leitete.

Heute beschäftigt das Institut etwa 100 hauptberufliche Mitarbeiter und 2.000 nebenberufliche Interviewer. Durchschnittlich führt das Institut nach eigenen Angaben pro Jahr etwa 100 Studien mit bis zu 90.000 Interviews durch.

Von 1961 bis 1964 war Noelle-Neumann zudem Dozentin an der FU Berlin, 1965 wurde sie zur außerordentlichen und 1968 zur ordentlichen Professorin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz berufen. Dort baute sie ab 1967 das Institut für Publizistik auf, dessen Direktorin sie bis zu ihrer Emeritierung 1983 war.

Nach dem Tod ihres Ehemanns 1973 heiratete Noelle-Neumann 1979 den Kernphysiker Heinz Maier-Leibnitz. Bis zu dessen Tod im Jahr 2000 führte sie offiziell den Nachnamen Noelle-Neumann-Maier-Leibnitz. Im Jahr 2006 erschien ihre Autobiografie "Die Erinnerungen".

(apd/ddp/pst)
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