Regierungskrise in Niedersachsen Elke Twesten nimmt an ihrer ersten CDU-Fraktionssitzung teil

Hannover · Die ehemalige Grünen-Abgeordnete aus Niedersachsen hat mit ihrem Übertritt zur CDU ein politisches Erdbeben ausgelöst. Bei der ersten gemeinsamen Sitzung mit der CDU-Fraktion zeigt sie sich zufrieden mit ihrer Entscheidung.

 Die neue CDU-Abgeordnete Elke Twesten spricht bei ihrer ersten Fraktionssitzung mit Journalisten, neben ihr sitzt der Generalsekretär der niedersächsischen CDU, Ulf Thiele.

Die neue CDU-Abgeordnete Elke Twesten spricht bei ihrer ersten Fraktionssitzung mit Journalisten, neben ihr sitzt der Generalsekretär der niedersächsischen CDU, Ulf Thiele.

Foto: dpa, sis vge

Dunkelblauer Hosenanzug, blassrosa T-Shirt, dezenter Schmuck. Zu ihrer ersten Sitzung der niedersächsischen CDU-Fraktion erscheint Elke Twesten in ihrem üblichen konservativem Outfit. "Ein bisschen ungewohnt" fühle es sich doch an, sagt die ehemalige Grünen-Abgeordnete, als sie auf ihrem grauen Sessel im Fraktionssaal Platz nimmt. "Ich muss mich jetzt hier erstmal reinfinden."

Vor vier Tagen hat die 54 Jahre alte Hinterbänklerin aus dem Kreis Rotenburg/Wümme ein politisches Erdbeben ausgelöst, dessen Erschütterungen weit über die Grenzen Niedersachsens hinausgingen.
Mit ihrem plötzlichen Wechsel von den Grünen zur CDU brachte Twesten die rot-grüne Landesregierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) um ihre Ein-Stimmen-Mehrheit. Nun ist eine vorgezogene Neuwahl am 15. Oktober nötig. Der Ton zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb hat sich in Niedersachsen schlagartig verschärft.

20 Jahre lang war Twesten Mitglied bei den Grünen, seit 2008 saß die Expertin für Frauenpolitik im Landtag. Ihren plötzlichen Frontenwechsel begründete sie mit Frust darüber, dass sie vor drei Monaten in ihrem Wahlkreis nicht zur Direktkandidatin gewählt worden war. Als sie am vergangenen Freitag ihren Übertritt zur CDU bekanntgab, erklärte sie, es gebe auch noch andere Parlamente für eine Bewerbung - etwa den Bundestag oder das Europaparlament.

Seitdem wittern SPD und Grüne ein faules Spiel. Die Gerüchte um mögliche Lockangebote der CDU wollen nicht verstummen. Führende SPD-Politiker haben die Union zu Aufklärung aufgefordert, Fraktionschef Thomas Oppermann sprach vom "Verfall der politischen Moral".

Twesten und der niedersächsische CDU-Chef Bernd Althusmann beteuern beide, dass es keine Zusagen für Posten gegeben habe. Die Vorwürfe, die sowohl von ihren ehemaligen Parteifreunden als auch in sozialen Netzwerken auf Twesten einprasselten, nannte sie selbst "niederträchtig, zutiefst beleidigend und menschlich unanständig".

Die Grünen in Niedersachsen müssen sich fragen, warum sie von Twestens Abdriften offenbar zu wenig mitbekommen haben. "Es war wie ein Grundrauschen der gesamten Legislaturperiode, dass sie mal zur CDU wechseln könnte", sagt rückblickend der parlamentarische Geschäftsführer, Helge Limburg. Doch auch er habe das mehr scherzhaft aufgefasst. Selbst als Twesten ihm bereits im Juni am Rande einer Plenarsitzung gesagt habe, es gebe "ein unmoralisches Angebot" von der CDU, habe er das für abwegig gehalten. Twesten will das zu Limburg so nie gesagt haben.

Twesten steht zu ihrem Schritt

Wechselmanöver von Abgeordneten haben in Niedersachsen ein besonderes Geschmäckle. Im Februar 1976 kam mit Ernst Albrecht zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ein CDU-Politiker an die Macht. Albrecht wurde mitten in der Legislaturperiode mit 79 Stimmen zum Regierungschef gewählt. Da die Union 77 Abgeordnete hatte, mussten zwei Mitglieder der SPD/FDP-Koalition umgefallen sein. Nie wurde geklärt, wer das war - das Misstrauen zwischen den Parteien hielt jahrelang an.

Elke Twesten steht offen zu ihrem Schritt. "Ich habe die letzten Tage in entspannter Atmosphäre verbracht. Es war in jedem Fall die richtige Entscheidung", sagt sie zu Beginn der Fraktionssitzung im Landtag. Erst am Abend zuvor hat der CDU-Kreisverband Rotenburg/Wümme sie als Mitglied aufgenommen. Ein ganz normaler, sachlich-nüchterner Vorgang sei das gewesen, sagt der CDU-Kreisverbandsvorsitzende Marco Mohrmann über das bundesweite Politikum: "Wir hatten hier acht Aufnahmeanträge. Twestens war nur ein weiterer davon."

(dpa/heif)
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