Islamistischer Spitzel entdeckt Verfassungsschutz soll seine Agenten besser überprüfen

Berlin · Nach der Enttarnung eines Islamisten in den eigenen Reihen steht der Nachrichtendienst in der Kritik. Vor allem die politische Opposition wittert ein Behördenversagen. Die CSU will mit Konsequenzen warten, bis die Ermittlungsergebnisse vorliegen.

 Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (M), unterhält sich mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU, r) und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (l).

Hans-Georg Maaßen, Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz (M), unterhält sich mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU, r) und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (l).

Foto: dpa, odietze

Der eine gab sich nur als Islamist aus, der andere war einer. Was beide Männer nach ihrem Chat im Internet allerdings erfuhren, ist in der Geschichte der deutschen Nachrichtendienste ohne Beispiel: Sie arbeiteten beide für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Allerdings wollte nur einer von ihnen gewaltbereite Islamisten enttarnen. Der andere hatte sich in das Bundesamt eingeschlichen und versuchte, seinen Beitrag zum Dschihad zu leisten, zum "heiligen Krieg".

Der vorvergangene Woche festgenommene 51-jährige Islamist mit deutschem Pass hatte alle Sicherheitsüberprüfungen des Verfassungsschutzes ohne Auffälligkeiten durchlaufen und auch danach keinen Anlass zu besonderer Sorge geliefert. "Wir haben es hier offensichtlich mit einem Fall zu tun, in dem sich eine Person von ihrem persönlichen Umfeld unbemerkt radikalisiert hat", gab Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zu Protokoll.

Er hatte sich am Mittwoch den Fragen der Abgeordneten im geheim tagenden Bundestags- Kontrollgremium zu stellen. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ging mit der Frage in die Sitzung, ob der Verfassungsschutz vor lauter Massenüberwachungen seine Aufgabe als Spionageabwehr vernachlässigt habe.

Jeder Nachrichtendienst ist Ziel von Einschleusungsversuchen

Wie jeder Nachrichtendienst sei auch das Bundesamt Ziel strategischer Einschleusungsversuche, etwa durch ausländische Spione, Extremisten oder Terroristen, erläuterte Maaßen. Deshalb sei seine Behörde "besonders wachsam in Bezug auf Innentäter". Eine ganze Reihe von Personen habe man bei den intensiven Überprüfungen herausfiltern können — wegen des Verdachtes, für einen ausländischen Dienst zu arbeiten.

Für SPD-Geheimdienstexperte Burkhard Lischka bleibt daher die entscheidende Frage, wie ein Extremist trotzdem eingestellt werden konnte. "Aus meiner Sicht müssen diese Sicherheitsüberprüfungen kritisch überarbeitet werden, um derartige Vorfälle künftig auszuschließen", sagte Lischka unserer Redaktion. Extremisten in sensiblen Behördenbereichen stellten ein "erhebliches Sicherheitsrisiko" dar.

Beruhigt zeigte sich Unions-Geheimdienstexperte Stephan Mayer, dass sich erste Meldungen als falsch erwiesen hätten, wonach der 51-Jährige auf Geheiß des sogenannten Islamischen Staates gehandelt und einen Anschlag auf die Zentrale des Verfassungsschutzes in Köln geplant haben soll.

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf wollte der Verdächtige in der Tat zwar nicht selbst zuschlagen, jedoch warb er im Internet-Chat damit, er arbeite für den Verfassungsschutz und könne potenziellen Attentätern den Zugang zu seiner Behörde ermöglichen. Bei einer Gewalttat gegen "Ungläubige" sei er zu allem bereit. Das sei "sicher im Sinne Allahs", wird der Verdächtige nach einem Teilgeständnis zitiert. Er habe Interna über Anlässe und Orte von Einsätzen preisgegeben.

Bizarr erscheint der persönliche Hintergrund des Verdächtigen. Er soll nach Medienberichten aus Tönisvorst im Kreis Viersen stammen, spanischer Herkunft und Vater von vier Kindern sein. Vor zwei Jahren soll er zum Islam konvertiert sein. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung fanden die Ermittler bei einer Durchsuchung seiner Wohnung auch pornografisches Material mit dem Verdächtigen als Darsteller. Seit April war er beim Verfassungsschutz beschäftigt, der ihn dem Vernehmen nach in einer Observationseinheit einsetzte.

CSU-Politiker Mayer warnte vor vorschnellen Schlussfolgerungen. Es müsse nun genau aufgearbeitet werden, wie der Verdächtige die sehr detaillierten Sicherheitsüberprüfungen überlisten konnte und trotz Selbstradikalisierung nicht auffiel. Zunächst müssten dazu die staatsanwaltschaftlichen und disziplinarrechtlichen Ermittlungen abgewartet werden. Wichtig sei, dass die Mechanismen gewirkt hätten, um den "Maulwurf" so schnell enttarnen zu können.

Die Linke kritisiert Verfassungsschutz als Sicherheitslücke

Für die Innenpolitikerin der Grünen, Irene Mihalic, geht es nun um die Frage, ob es auch Neonazis gelungen sein könnte, Mitarbeiter beim Verfassungsschutz oder in anderen Sicherheitsbehörden zu platzieren. Dies müsse dringend geklärt werden. Die Linke erneuerte ihre Fundamentalkritik am Verfassungsschutz, der keine Sicherheitslücke habe, sondern selbst eine sei.

Das Kölner Bundesamt war zuletzt in die Schlagzeilen gekommen, weil es erst in diesem Jahr in einem Büro Handys und Sim-Karten gefunden hatte, die dem ehemaligen V-Mann "Corelli" zuzuordnen waren, um den es seit Jahren im Zusammenhang mit der NSU-Aufklärung geht. Auch hier handelte es sich um das Versagen eines Mitarbeiters. Verbindungen zum NSU ließen sich jedoch nicht nachweisen.

(may-)
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