Europäischer Staatsakt für Helmut Kohl Die letzte Ehre für einen großen Europäer

Strassburg · Mit einem Staatsakt im Europaparlament hat die EU Abschied von Helmut Kohl genommen. Einige Redner wurden besonders gefühlvoll.

Es ist kurz nach elf Uhr, als der Sarg von Helmut Kohl mit der blauen Europaflagge bedeckt in den Sitzungssaal des Europaparlaments getragen wird. Es ist die Stunde des Abschieds von einem großen Europäer. Ein einzigartiger Moment, für den die EU zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen europäischen Staatsakt organisiert hat. "Helmut Kohl hat im Laufe seines Lebens viele Auszeichnungen erhalten, aber die wahre Würdigung wird ihm durch das historische Gedenken heute zuteil", sagt EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, der als erster von acht Rednern spricht.

Erst zum Schluss ist Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Reihe, mit einer persönlich geprägten Ansprache: "Dass ich heute hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. Danke für die Chancen, die wir als Deutsche und Europäer durch Sie erhalten haben", wendet sie sich ein letztes Mal an ihren politischen Ziehvater. Ihre Rede schließt die Kanzlerin mit den Worten: "Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Andenken in Dankbarkeit und Demut." Es folgt ein Händeschütteln mit Kohls zweiter Frau Maike Kohl-Richter, die die Zeremonie mit einer Sonnenbrille, schwarzem Hut und Handschuhen in der ersten Reihe verfolgt. Die Witwe sitzt zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Tajani hinter einem Kranz roter Rosen, mit der Aufschrift: "In Liebe deine Maike". Kohls Söhne sind nicht anwesend.

Jeder Redner hat fünf Minuten Zeit - nicht genug für einige

Fünf Minuten Zeit haben die Redner, doch die persönlichen Erinnerungen lassen einige länger sprechen. "Beim Abschied von einem Freund ist es schwierig, sich auf fünf Minuten zu beschränken", sagt der frühere spanische Regierungschef Felipe González. Als erster europäischer Regierungschef hatte er einst die deutsche Einheit unterstützt. Auch der russische Regierungschef Dmitri Medwedew spricht zu den rund 900 Trauergästen. Ein symbolischer Auftritt, mit dem die Rolle der Sowjetunion bei der Wiedervereinigung gewürdigt wird.

Die emotionalste Ansprache hält der frühere US-Präsident Bill Clinton. Mit viel Humor erinnert er an Kohls Vorliebe für gutes Essen. "Hillary sagt, dass ich ihn mochte, weil er die einzige Person war, die das Essen noch mehr liebte als ich." Doch Clinton, der am Redepult improvisiert, findet auch ernste Worte: "Helmut Kohl hat uns die Chance geboten, uns an etwas zu beteiligen, das größer war als wir selbst, größer als unsere Karriere." Unter langanhaltendem Applaus grüßt Clinton mit der Hand am Kopf den Sarg, bevor er sich wieder neben die Bundeskanzlerin in die erste Reihe setzt.

"Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant"

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker spricht mit viel Gefühl von seinem "Freund Helmut". "Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant. Er hielt Einzug in die Geschichtsbücher und in den Geschichtsbüchern wird er für immer stehen", würdigt Juncker den Altkanzler sichtlich bewegt. Er spricht von Kohl als deutschem, aber auch europäischem Patrioten. "Das war für ihn kein Widerspruch." Auf Französisch erinnert er an die besondere Beziehung von Kohl zu Frankreich. "Er sprach kein Französisch, aber es gab nichts, was er von Frankreich nicht wusste." Juncker erinnert an das Bild vom 22. September 1984, als Kohl Hand in Hand mit François Mitterrand vor den Gräbern von Verdun stand.

Eine Freundschaft, die auch der französische Präsident Emmanuel Macron erwähnt. Als Jüngster der Redner ist er der einzige, der den Blick in die Zukunft richtet: "Unser Europa ist die Geschichte mehrerer Generationen. Wir müssen dafür sorgen, dass unser Aufbauwerk nicht seine Schönheit verliert, wenn der europäische Geist es verlässt." An die Kanzlerin gewandt ergänzt der 39-Jährige: "Ich möchte mit Angela Merkel diesem Projekt wieder Sinn und Dichte verleihen."

Der französische Staatschef hatte alle seine Vorgänger eingeladen, mit zur Zeremonie zu reisen. Gekommen ist Nicolas Sarkozy, der neben Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und dem früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in der ersten Reihe sitzt. Insgesamt sind 17 Staats- und Regierungschefs und Delegationen aus rund 40 Ländern vertreten. Stehend verabschiedet sich der Saal, als acht Mitglieder des Wachbataillons Kohls Sarg nach dem Abspielen der deutschen und der europäischen Hymne hinaustragen.

"Du hinterlässt einen politischen Leerraum", sagt Felipe González in seiner Ansprache. Diese Leere ist an diesem Samstag im Europaparlament zu spüren.

(RP)
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