Abgeordnete fordern Konsequenzen Euro-Hawk-Desaster drängt de Maiziere in die Defensive

Berlin · Für Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wird das Debakel um das gescheiterte, mehr als eine halbe Milliarde Euro teure Drohnen-Projekt "Euro Hawk" zunehmend zur Belastung. Erste Stimmen fordern Konsequenzen.

De Maizière hatte die Beschaffung von vier dieser teuren unbemannten Aufklärungsflugzeuge erst in der vergangenen Woche gestoppt, obwohl ihm nach eigenen Angaben bereits seit Ende 2011 bekannt gewesen war, dass deren Zulassung für den europäischen Luftraum nur mit erheblichem Mehraufwand von 500 bis 600 Millionen Euro zu erreichen wäre. Der Bundestag erfuhr davon nichts. Die Gesamtkosten des gescheiterten Drohnen-Projekts liegen bereits bei 688 Millionen Euro.

De Maizière muss dem Parlament nun umfassend erklären, wie es dazu kommen konnte, dass mehrere Hundert Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt verschwendet worden sind. Noch fordert aus den Reihen der Opposition niemand seinen Rücktritt, doch Kritik und Misstrauen gegenüber de Maizière, dem bisherigen Musterknaben im Kabinett Merkels, werden täglich lauter. Der Minister hat eine Arbeitsgruppe damit betraut, ihm in den kommenden Tagen Antworten auf einen umfassenden Fragenkatalog zu liefern. Den Bericht will de Maizière dem Verteidigungsausschuss des Bundestags am 5. Juni vorlegen.

Kritik auch aus der Koalition

Selbst aus den Reihen der Koalition werden Forderungen nach Konsequenzen laut. Nach der FDP fordern auch Unionspolitiker von de Maizière, sofort auch die deutsche Beteiligung am Nato-Aufklärungssystem AGS auszusetzen. Wichtige Teile dieses Bodenaufklärungssystems der Nato mit dem Namen "Alliance Ground Surveillance" (AGS) sind fünf weitere Drohnen. Diese "Global Hawk" genannten Flugkörper sind im Prinzip baugleich mit den "Euro Hawks". Auch sie dürften keine Zulassung für den europäischen Luftraum erhalten.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff verlangte daher von de Maizière, auch das "Gobal Hawk"-Projekt zu stoppen, solange dessen Zulassung für den Luftraum ungeklärt ist. "Ansonsten droht eine weitere Fehlinvestition in Millionenhöhe", sagte Hoff. Die Gesamtkosten des Systems beliefen sich auf etwa drei Milliarden Euro, der deutsche Anteil liege bei 400 Millionen Euro.

Auch CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle forderte den kurzfristigen Stopp auch des "Global Hawk"-Projekts. "Das Projekt kann erst weiterfinanziert werden, wenn geklärt ist, was passiert, wenn die Nato den europäischen Luftraum überfliegt", sagte Barthle. Das Aussetzen des "Global Hawk"-Projekts bis zur Klärung der Zulassungsfrage sei "eine logische Konsequenz".

Schon 2011 sei klar geworden, dass die europäische Drohnen-Version "Euro Hawk" die Zulassung für den zivilen Luftraum nicht bekommen würde, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels, der den Skandal ins Rollen brachte. Der Grund sei der fehlende Kollisionsschutz: Der Drohne fehle eine Technik, mit der sie frühzeitig genug andere Flugzeuge erkennen könnte. Die Bundesregierung habe dieses Problem einfach ignoriert.

Auch de Maizieres Vorgänger ignorierten die Bedenken

Spezialisten der Deutschen Flugsicherung und das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr warnten das Ministerium allerdings bereits Ende 2004 davor, dass "Euro Hawk" ohne zusätzliche Sensorik keine Genehmigung für den zivilen Luftraum erhalten würde. Auch de Maizières Vorgänger Peter Struck (SPD), Franz Josef Jung und Karl-Theodor zu Guttenberg (beide CSU) gingen über diese Warnungen hinweg.

"De Maizière hätte Euro Hawk schon 2011 stoppen müssen", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold. Der Minister habe das Parlament über den Vorgang nicht informiert, obwohl die Parlamentarier zwischenzeitlich nachgefragt hätten. "Das ist ein großer Vertrauensbruch gegenüber dem Parlament gewesen", sagte Arnold. "Ich habe kein Vertrauen mehr, dass de Maizière die Sache korrekt darstellt."

Zur Verschlechterung des Vertrauensverhältnisses zwischen de Maizière und dem Parlament trägt bei, dass der Minister den Bundesrechnungshof (BRH) bisher ins Leere laufen ließ. Die Rechnungsprüfer interessieren sich seit Ende 2011 für "Euro Hawk". Doch als Reaktion auf ihre Anfragen sandte das Ministerium den Prüfern kaum brauchbare Akten mit vielen geschwärzten Stellen. Das Ministerium verwies zur Begründung auf US-Sicherheitsinteressen und auf die strenge Vertraulichkeit der Verträge, die "Dritten" nicht zugänglich gemacht werden dürften. Dies wollen aber weder Rechnungshof noch Parlamentarier akzeptieren. "Der Bundesrechnungshof muss selbstverständlich diese Verträge einsehen können. Er ist mit unbekannten ,Dritten' nicht gleichzusetzen", so Arnold.

Die Opposition wirft de Maizière bereits vor, dem Rechnungshof absichtlich nur unbrauchbare Akten übermittelt zu haben. "Es drängt sich der Verdacht der Vertuschung auf höchster Ebene auf", sagte Grünen-Politiker Tobias Lindner.

(mar)
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