Jugendforscher Hurrelmann Experte fordert Wahlrecht mit zwölf

Berlin · Wahlrecht kann nach Ansicht des Jugendforschers Klaus Hurrelmann bereits Zwölfjährigen gewährt werden. Kriterium müsse sein: "Kann ich einschätzen, was passiert, wenn ich meine Stimme abgebe", sagte Hurrelmann.

 Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann hat sich für ein Wahlrecht ab zwölf Jahren ausgesprochen.

Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann hat sich für ein Wahlrecht ab zwölf Jahren ausgesprochen.

Foto: ddp

Von den Erstwählern werde gefordert, über die Parteien Bescheid zu wissen und deren Programme zu kennen, erklärte Hurrelmann. Diese Fähigkeit habe man nicht erst ab 18, "die hat man ab zwölf". Bei anderen Wählern spiele dies keine Rolle mehr, das Wahlrecht könne später auch so gut wie nicht entzogen werden. "Man sollte an Erstwähler keine Maßstäbe anlegen, die später gar nicht mehr gelten", betonte der Sozialwissenschaftler, der an der Hertie School of Governance lehrt, einer privaten Hochschule in Berlin.

Jüngere wählten emotionaler, spontaner als Ältere, sie seien aber "keine politischen Naivlinge", sagte er. Mehr als ältere Wähler interessierten sie sich für Themen wie Umwelt, Wirtschaft oder internationale Fragen.

Bei einem Wahlrecht ab 16 - oder irgendwann womöglich sogar ab 12 - spiele auch die Schule eine große Rolle als Vermittler von Informationen, fügte er hinzu. So gut wie alle Jugendlichen besuchten in dem Alter noch die Schule und würden dort unter Umständen besser über Themen und Inhalte im Zusammenhang mit einer Wahl informiert als andere Wähler.

Die Herabsetzung des Wahlalters berge natürlich auch ein Risiko, betonte Hurrelmann. So fehle es den jungen Wählern an Erfahrung. Vorteil sei, dass sie, anders als ältere Wähler, weniger taktisch entschieden. Die Jugendlichen selbst, dies hätten die Shell-Studien der vergangenen Jahre ergeben, seien skeptisch in Bezug auf ein Wahlrecht ab 16. Knapp die Hälfte habe sich in den Untersuchungen dagegen ausgesprochen, sagte der Sozialwissenschaftler.

Erstwähler sind "politische Trendsetter"

Am Wahlverhalten der Erstwähler lassen sich ihm zufolge längerfristige Trends erkennen. So habe man den Aufstieg der Piratenpartei schon vor sechs Jahren in Erhebungen sehen können. Es ließen sich Tendenzen ableiten, die mit einer gewissen Zeitverzögerung für die gesamte Wahlbevölkerung aussagekräftig seien. Hurrelmann bezeichnete junge Wähler als Seismographen, als "politische Trendsetter", die offener seien für neue Konstellationen in der Parteienlandschaft.

Der Präsident des Kinderhilfswerks, Krüger, schlug vor, zunächst 14-Jährige bei kommunalen Wahlen zuzulassen. Mache man gute Erfahrungen, könne das Wahlrecht erweitert werden. Ab 14 Jahren seien junge Leute strafmündig, und sie hätten die uneingeschränkte Religionsmündigkeit erworben. Es sei für sie außerdem möglich, ein Girokonto zu eröffnen, sagte Krüger. Ab 16 hätten sie Anspruch auf einen Personalausweis oder Reisepass. Aber ein Wahlrecht hätten sie nicht. "Da geht was nicht zusammen", sagte er.

Das Alter für Wahlberechtigte bei Landtags- und Bundestagswahlen auf 16 zu senken, bezeichnete er als "evident" und verwies auf die Erfahrungen in Bremen: Dort hatten bei der Bürgerschaftswahl am 22. Mai erstmals 16-Jährige ihre Stimmen abgeben dürfen.

(DAPD)
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