Fall Jan Böhmermann Bis zur letzten Instanz

Berlin · Mit schnellen Entscheidungen ist in der Causa Böhmermann nicht zu rechnen: Beide Seiten signalisieren am Samstag, im Notfall bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen zu wollen. Jan Böhmermann selbst äußert sich weiterhin nicht.

Anwalt Michael von Sprenger vertritt Erdogan.

Anwalt Michael von Sprenger vertritt Erdogan.

Foto: dpa, shp fdt

Beide Seiten rasseln mit Säbeln. "Ich streite es durch, bis ich obsiege", sagte der Münchner Anwalt Michael von Sprenger, der den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Streit um Jan Böhmermanns Schmähgedicht vertritt. Für seinen Mandaten werde er notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, betonte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Auch das ZDF will kämpfen

Durchhaltewillen bekundete auch Böhmermanns Sender: "Wir gehen mit ihm durch alle Instanzen", kündigte ZDF-Intendant Thomas Bellut an.
Der Satiriker bekomme vollen Rechtsschutz, sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die deutsche Justiz am Freitag ermächtigt, gegen den 35-Jährigen zu ermitteln. Damit gab sie im Namen der Bundesregierung einem Antrag der Türkei statt.

Es folgte ein Feuerwerk an Reaktionen von Kritikern und Befürwortern - auch am Samstag wieder. Der frühere Bundestagspräsident und SPD-Politiker Wolfgang Thierse begrüßte den Entschluss der Bundesregierung, obwohl die Minister der SPD dagegen waren. "Ich halte es für richtig, dass Richter über das sogenannte Gedicht von Herrn Böhmermann entscheiden", sagte Thierse der "Saarbrücker Zeitung". "Die Bundesregierung hatte keinen Anlass, dies zu verhindern."

Bosbach kritisiert Entscheidung

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach übte hingegen Kritik: "Ich bedauere die Entscheidung und hoffe, dass der Türkei eine Lektion in puncto Meinungsfreiheit erteilt wird", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Auch Schauspieler Til Schweiger zeigte sich fassungslos.
"Was ich von Jan Böhmermann halte, ist hinlänglich bekannt - gar nichts. Aber wie unsere Regierung hier vor einem Präsidenten kuscht, der in seinem Land die Meinungsfreiheit mit den Füßen tritt - uns aber gleichzeitig sagt, wir sollen uns aus seiner Politik raushalten - das macht mich fassungslos", sagte Schweiger der "Bild"-Zeitung.

Auch gemäßigte Stimmen gab es. "Ich verstehe die Hysterie nicht", sagte der Kabarettist Dieter Nuhr unserer Redaktion. "Jemand fühlt sich beleidigt, er zeigt jemanden an. Das ist ein Grundrecht, das im Rechtsstaat jedem zusteht, auch denen, die selber Grundrechte mit Füßen treten, also beispielsweise Nazis oder Erdogan", sagte Nuhr. Ein Gericht werde entscheiden. Und das entscheide nach deutschem Recht und Gesetz. "Ich sehe da kein Problem." CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte der "Berliner Zeitung": "Es ist jetzt Sache der unabhängigen Justiz, darüber zu befinden. Und vielleicht lernt Herr Erdogan dabei auch noch etwas."

Aus der Zeit gefallen

Im Rechtsstaat sei es nicht Sache der Regierung, sondern unabhängiger Gerichte, Persönlichkeitsrechte gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen, hatte auch Merkel am Freitag betont. Böhmermann hatte in seiner satirischen TV-Show "Neo Magazin Royale" (ZDF) ein Gedicht vorgetragen, in dem er Erdogan mit drastischen Worten angriff. Es ging um Sex mit Tieren und Kinderpornografie, überdies wurden Klischees über Türken transportiert.

Laut Paragraf 103 Strafgesetzbuch muss, wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, in Deutschland mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. Merkel kündigte allerdings am Freitag auch an, dass der Paragraf noch in dieser Legislaturperiode gestrichen werden solle. Die Vorschrift sei "entbehrlich", sagte sie. Der Paragraf wirke "in der Tat etwas aus der Zeit gefallen", sagte auch CDU-Generalsekretär Tauber.

(dpa)
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