War er direkt in die Planungen einbezogen? Fall Kurnaz: Neue Vorwürfe gegen Steinmeier

Hamburg (RPO). Der Fall Kurnaz spitzt sich für Außenminister Frank-Walter Steinmeier weiter zu: Einem Medienbericht zufolge soll er direkt in die Planungen einbezogen gewesen sein, Kurnaz' Rückkehr nach Deutschland zu verhindern. Steinmeier verteidigt sich: Die Sicherheit der Menschen in Deutschland habe für ihn oberste Priorität gehabt.

Die sieben wichtigsten Fragen um Murat Kurnaz
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Foto: AP

Die "Berliner Zeitung" beruft sich in ihrem Bericht auf ein Schreiben an den damaligen Innenstaatssekretär Claus Henning Schapper.

Das Papier vom 30. Oktober 2002 habe detailliert das rechtliche Vorgehen erörtert, mit dem Kurnaz die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden sollte. Es habe mit dem Hinweis "Information Steinmeier" sowie Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz und Auswärtiges Amt geendet.

Der Zeitung zufolge heißt es in dem Schreiben unter anderem: "Eine Rückkehr in die Bundesrepublik wird offenbar angestrebt. Zwischen Bundeskanzleramt und BMI (Bundesinnenministerium) besteht Einvernehmen, dass eine Wiedereinreise nicht erwünscht ist."

Hintergrund des Einvernehmens war laut "Berliner Zeitung" offenbar die Sorge, Kurnaz könne bei einer Rückkehr nach Deutschland erfolgreich gegen eine Ausweisung klagen, weil ihm die deutschen Behörden keine extremistischen Bestrebungen hätten nachweisen können. So heiße es in dem Papier: "Dünne Beweislage zum terroristischen Hintergrund würde jahrelange gerichtliche Auseinandersetzuungen provozieren, während der Ausländer in Deutschland lebt."

Steinmeier in der Offensive

Steinmeier verteidigt sein Vorgehen im Fall Kurnaz: Nach dem 11. September 2001 habe es oberste Priorität gehabt, die Sicherheit der Menschen in Deutschland zu garantieren. "Wir mussten mit Bluttaten auch bei uns rechnen und alles tun, um dies zu verhindern", so Steinmeier. Inzwischen wurde bekannt, dass auch der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Fall Kurnaz eine entscheidende Rolle gespielt haben soll.

"Nach dem 11. September 2001 war unsere oberste Priorität, die Sicherheit von 82 Millionen Menschen in Deutschland zu garantieren", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Führende Köpfe der Anschläge von New York und Washington kamen aus Hamburg. Und es gab weitere Gruppen und Netzwerke von gewaltbereiten Islamisten in anderen deutschen Städten. Wir mussten mit Bluttaten auch bei uns rechnen und alles tun, um dies zu verhindern."

Der SPD-Politiker fügte hinzu: "In dieser Zeit mussten wir viele schwierige Entscheidungen treffen. Mein Prinzip war dabei immer: größtmögliche Sicherheit für die Menschen schaffen, ohne unsere rechtstaatlichen Prinzipien zu gefährden. Daran habe ich mich immer gehalten, auch im Fall Kurnaz. Unsere Haltung war eindeutig: Jeder, auch wenn er des Terrorismus verdächtigt wird, hat Anspruch auf ein rechtstaatliches Verfahren."

Auf die Frage, warum deutsche Behörden sich bemühten, Kurnaz die Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu entziehen, sagte Steinmeier, der seinerzeit Chef des Bundeskanzleramtes war: "Die Alternative lautete doch nicht Deutschland oder Guantanamo. Was sprach denn gegen seine Entlassung in die Türkei, wo seine Ehefrau und weitere Familienangehörige leben? Die Bundesregierung hat die Freilassung von Kurnaz zu keinem Zeitpunkt hintertrieben. Niemand von uns wollte ihn in Guantánamo schmoren lassen." Er ergänzte: "Wir haben damals im Kanzleramt nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt - und haben uns heute nichts vorzuwerfen."

Der Minister äußerte die Erwartung, "dass der Fall von Herrn Kurnaz so schnell wie möglich im Untersuchungsausschuss geklärt wird. Das muss zügig und gründlich geschehen. Jeder sieht doch, dass die vielen Einzelakten und Papiere, die jetzt in den Zeitungen stehen, kein vollständiges Bild ergeben. Ich werde dazu meinen Beitrag leisten, dass am Ende Klarheit herrscht."

(afp)
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